Im Grunde hat es schon mit den Anrufbeantwortern angefangen. Seitdem ist die Kommunikation immer verstellter, missverständlicher und letztlich verlogener geworden. Wer heute Mitte vierzig ist und überhaupt noch einen Festnetzanschluss hat, wundert sich, wenn er darüber von jemandem angerufen wird, der halbwegs so alt ist wie er selbst. Ich habe zwar noch heute ein schlechtes Gewissen dabei, aber ich schaue dann erst einmal, ob ich die Nummer erkenne (Plan A), um dann zu entscheiden, ob ich den Anruf annehmen will. Bei einer unbekannten Nummer neige ich dazu, erst einmal zu hören, wer das ist (Plan B). Umgekehrt ertappe ich mich regelmäßig dabei, dass ich mich freue, wenn ich selbst nur auf einen Anrufbeantworter sprechen kann. So telefonieren wir nicht selten aneinander vorbei. Im Grunde empfinde ich es impertinent angerufen zu werden. Es passt eigentlich nie. Und wenn ich es mir mal wirklich wünsche, dann kommt es nicht dazu. In letzter Zeit habe ich auch kaum noch Zeit, mich mit Freunden live und in Farbe zu treffen. Dann kommt es immer häufiger vor, dass ich mich per Email oder SMS für ein privates Telefonat verabrede. Das mag absurd klingen, passt aber zu meinem durchgetakteten Alltag.

Nicht dass ich selbst viel und gerne mit meinen Tanten telefoniert hätte, aber meine Patenkinder waren schon ziemlich früh telefonisch unerreichbar. Dann hieß es erst, dass ich bitteschön per Email meine Geburtstagswünsche überbringen möge. Dann musste ich mir einen facebook-Account zulegen, um noch irgendwie mit ihnen im Kontakt zu bleiben. Schließlich hieß es, dass sie längst auf andere Soziale Netzwerke ausgewichen und somit quasi gar nicht mehr erreichbar seien. Das klingt traurig, fand ich aber irgendwie gut. Erstens zeigte dies, dass sie sich gesunderweise gegenüber der Eltern- und Großelterngeneration abgrenzen. Zweitens konnte ich meinen Account endlich löschen und damit meine Daten endlich den Werbefirmen und Geheimdiensten entziehen. Von einigen Freunden werde ich allerdings immer noch angepöbelt, weil ich ihnen bei facebook und Whatsapp keine Aufmerksamkeit schenke.

Die Aufmerksamkeitsspanne für die wachsende Zahl von Freunden und Bekannten, ist aber auch bei mir immer kleiner geworden. Und obgleich ich mich vielem digitalen Firlefanz verweigere und hauptsächlich mit so anachronistischen Formaten wie Emails und SMS operiere, habe ich den Eindruck damit nicht gut zurecht zu kommen. Die Flut von Emails auf vier Accounts bekomme ich kaum bewältigt. Und bei den SMS habe ich immer mehr das Gefühl, dass sie dazu dienen, direkte Kommunikation zu verweigern und kryptische Zweideutigkeiten zu verbreiten, die bisweilen zu unangenehmen Verstimmungen führen. Gerade versuche ich mir anzugewöhnen, bei jeder SMS oder Email von Freunden, die mich innerlich auf die Palme bringt, möglichst gleich anzurufen, da ich noch dem guten alten Glauben anhänge, dass man am besten im direkten Gespräch etwas unmissverständlich klar stellen kann. Damit schwimme ich hoffnungsvoll gegen den Strom. Die Studienlage zeigt ziemlich eindeutig, dass junge Menschen immer weniger miteinander telefonieren. Und die Nachrichten werden immer kürzer und weniger textlastig. Es geht immer mehr um Bilder und Filme, anstatt um in Sprache gefasste Gedanken. Noch ein Grund, sich um unser Bewusstsein zu sorgen.

Die Zukunft der sprachlichen Kommunikation dürfte in Zukunft ungefähr so aussehen. Sobald wir die mobilen Endgeräte ganz per Sprachsteuerung bedienen können, werden sie mit ihren Lautsprechern und Mikrophonen noch näher an unsere Körper heran und in sie hinein wachsen. Wir können dann ohne ein Gerät in die Hand zu nehmen, miteinander sprechen. Aber wollen wir das dann überhaupt noch? Das wäre ja quasi wie telefonieren? – Wahrscheinlicher ist es, dass wir diese Nachrichten dann als Tondatei verschicken, mein neues Smartphone kann das längst. Der nächste Entwicklungsschritt ist dann, dass wir unsere Gedanken gar nicht mehr ausdrücken müssen, sondern dass sie über unsere Hirnströme direkt abgelesen werden und versendet werden. Klingt nach Science Fiction, aber die virtuelle Gedankenübertragung ist längst in Arbeit. Wenn dann die digitale Industrie schließlich unsere Gedanken lesen kann, sind es dann noch unsere Gedanken, wenn sie einmal über ihre Server gelaufen sind, oder werden wir in Zukunft gedacht?

 

Bert te Wildt©