Letztens blieb mir zum ersten Mal das Wort kinderlos im Halse stecken. Kinderlose sind diejenigen, die kein Kind auf die Welt bringen und keine Kinder um sich haben, wenn sie selbst der Welt Adieu sagen. Wenn sie die Mitte des Lebens überschritten haben, sehen sie zu, das Lebensgefühl, das sie kurz vor der Lebensmitte hatten, so lange wie eben möglich zu konservieren. Sie arbeiten viel und geben viel aus. Damit sind sie die einzig ökonomisch sinnvolle Existenzform der menschlichen Spezies. Ganz Junge und hoch Betagte können da nicht mithalten. Sie verbrauchen einfach zu viele Ressourcen, ohne in den großen Topf einzuzahlen. Irgendwann wird die Marktwirtschaft – und wir mit ihr – mit ihnen die Geduld verlieren.

Wie bitteschön aber hat überhaupt jemals jemand genügend Muße dafür aufbringen können, stundenlang mit Engelsgeduld dabei zuzuschauen, wie ein Kind groß wird oder ein Greis schrumpft? – Die Ressourcen Zeit und Gelassenheit werden auf Kinderspielplätzen und in Altenheimen in einer Weise eingefordert, die in den heutigen Lebenszusammenhängen geradezu unmenschlich anmutet. Die exponentielle Beschleunigung des Alltagslebens zollt ihren Tribut. Die Zeiteinheiten, in denen sich heute Kontakte gestalten, sind so unglaublich kurz geworden, dass schon ein Telefongespräch als ein großes Beziehungsgeschenk erscheint.

Wie soll man dann die Betreuung von Kindern ohne Smartphones nur aushalten. Und da die Kinder ja nun im Kinderwagen endlich wie wir auch zielgerichtet nach vorne schauen, kriegen sie es doch gar nicht mit, wenn Mami oder Papi beim Schieben digital überall und nirgends ist. Und auch am Kranken- und Sterbebett kann man sich immer mal wieder kurz davonstehlen. Pflege mit Ruhe und Anmut zu gestalten, wer kann sich das schon noch leisten. Den Betreuungsaufwand, den wir noch betreiben, um Menschen ins Leben rein und daraus heraus zu bringen, mag uns insofern zunehmend anachronistisch vorkommen.

Das muss man doch auch outsourcen können. In Asien hat man längst damit angefangen. Roboter werden zunehmend in Kindergärten und Schulen, Krankenhäusern und Altenheimen eingesetzt. Seit sie nicht nur für körperliche Bedürfnisse zuständig sind, sondern auch lernen und lehren, seit sie Gefühle simulieren und erzeugen können, treten sie einen ungeheuren Siegeszug an. Wir werden uns bald überlegen müssen, was in der Betreuung von Kindern und alten Menschen noch von Menschen gemacht werden sollte. Da geht es nicht nur um Effizienz, sondern vermutlich auch um das schlagende Argument, dass Roboter in vielem einfach besser sind als wir Menschen. Intelligenter sind sie ohnehin schon. Für jede Art von Logistik – sei es im Straßenverkehr oder auf dem Toilettenstuhl – werden sie bei Kindern und Kranken sicher bald sicherer sein als menschliche Helfer. In der Pädagogik werden sie wohl mehr Nerven und Konsequenz zeigen. Sie haben immer ein offenes Ohr, können endlos vorlesen und verlieren nie die Geduld. Wer sagte denn, dass man nicht auch zu einem Roboter eine Beziehung aufbauen kann?

Die Eltern können sich dann endlich ganz der Produktivität und dem Konsum zuwenden. Nur als Erwachsener, nachdem man aus der robotischen Fürsorge herausgewachsen ist und bevor man ihr wieder überantwortet wird, hat man dann die volle Autonomie, sich noch frei bewegen zu können und mit echten Menschen zu interagieren.

Wir mögen ja heute längst im Science Fiction angekommen sein. Aber mir ist schon recht, dass ich dieses Szenario in letzter Konsequenz wohl nicht mehr erleben werde. Aber gegen die Roboter, die mich ins Bett und vielleicht auch ins Grab bringen werden, kann auch ich mich vermutlich nicht mehr wehren. Dass ich selbst keine Kinder in die Welt gesetzt habe, danach kräht dann kein Hahn mehr.