Ich lese viel zu wenig und schreibe vielleicht viel zu viel. Als könnte man das bisschen, was man liest, auch gleich selber schreiben. Nun schreibe ich wirklich gern. Jede Woche oder zumindest viermal im Monat wollte ich in diesem Jahr eine Kolumne herausbringen. Es hat mir Freude bereitet, wie meine Gedanken und Beobachtungen im Alltag von dieser Aufgabe beeinflusst wurden. Aber es war auch Ein Stress. Am Ende sind es durchschnittlich drei Texte pro Monat geworden. 36 reichen, finde ich. Ob ich gut schreibe, steht auf einem anderen Blatt. Ich freue mich über jede Rückmeldung. Trotz der vielfältigen Möglichkeiten des Internets habe ich jedoch keine Ahnung, wie viele Menschen meine Kolumne wirklich lesen und etwas damit anfangen können, was mich nicht davon abhält, mich fast täglich von der digitalen Aufmerksamkeitsökonomie verführen zu lassen. Kein Wunder, auch ich gehöre zu den Attention-Junkies, den Rampensäuen des Internetzeitalters.

Wenn ich morgens meine Computer hochfahre, könnte ich mich erst einmal eine Weile durch die Seiten klicken, die mir auf dem Markt der Eitelkeiten meinen Wert anzeigen. Aktuell heißt es, vier Email-Accounts zu checken, es könnte mich ja jemand interviewen oder als Referenten einladen wollen. Dann schaue ich mir die Dashboards auf meinen Homepages an: Freude kommt auf, wenn sich neue Patienten für unsere neue Online-Ambulanz angemeldet haben, und auf meiner persönlichen Seite kann ich genau sehen, wie viele Besucher ich hatte und auf welchem Weg sie auf meine Seite gestoßen sind. Mit den Statistiken auf diesen Seiten könnte man sich stundenlang PR-mäßig beschäftigen. Danach könnte ich mir auch noch anschauen, wie sich meine Bücher verkaufen. Und schließlich gibt es da noch meine Facebook- und Twitter-Accounts. Die Freunde und Follower, die Likes und Retweets mögen mir anzeigen, wie wichtig und gesehen ich mich fühlen darf. Der peinliche Höhepunkt könnte dann sein, sich gezielt selbst zu googeln. – Dessen bekenne ich mich schuldig.

Nun könnte man sagen, dass all das zum Geschäft gehört, wenn man irgendwie auch publizistisch unterwegs ist. Aber das kostet einen auch wahnsinnig viel Zeit und Nerven. Dass das süchtig machen kann, habe ich daran gemerkt, dass es mich in einen peinlichen Rauschzustand versetzen kann, wenn es gut läuft, wie im Sommer, als wir auf der Gamescom unser neues Projekt vorgestellt haben. Aber genauso gut kann es einem gehörig die Laune verderben, wenn einem die Aufmerksamkeit entzogen wird. Die erfahrene Aufmerksamkeit lässt vermutlich auch mehr Aussagen darüber zu, ob meine Öffentlichkeitsarbeit funktioniert und erlaubt viel weniger ein Urteil über die Texte selbst, ganz davon abgesehen, dass es einen von der inhaltlichen Arbeit abhält.

Gegenüber den Mirkotexten in sozialen Netzwerken ist so eine Kolumne ja schon ziemlich lang, eigentlich eine Zumutung. Ich werde das Schreiben nun auf 12 pro Jahr reduzieren. Weniger ist manchmal mehr. Und werde viel lieber an meinem nächsten Buch arbeiten. Weniger schreiben, um mehr schreiben zu können. In dem Buch wird es darum gehen, wie wir trotz und mit der digitalen Revolution ein gutes, vielleicht sogar besseres Leben führen können. Dafür will ich mich nicht stressen. Mir mehr Zeit nehmen. Besser auf mich Acht geben. Schreiben tut mir gut. So weit so gut. Früher war Schreiben so etwas wie Psychotherapie für mich, habe immer viel Tagebuch geschrieben. Irgendwann fand ich, dass ich mich dabei zu sehr um mich selbst drehe. Dann habe ich mehr Briefe an Freunde geschrieben, und jetzt eben Texte zur Publikation, in der Hoffnung, dass es jemanden interessiert. Wie gerade geschrieben, drehe ich mich damit nicht wirklich weniger um mich selbst. Vielleicht sollte ich doch wieder mehr Tagebuch schreiben oder besser noch: mehr lesen.

Bert te Wildt©