Schon vor der Nachricht über den Anschlag von Orlando schwand meine Vorfreude auf das erste Spiel der deutschen Nationalmannschaft. Habe keine Lust auf die zweite Halbzeit und das Bedürfnis zu schreiben. Nachdem ständig von drohendem IS-Terror die Rede war, gehen nun die Bilder von Schlachten zwischen den Hooligans um die Welt, darunter gewaltbereite Neonazis aus Deutschland. – Islamisten und Rechtsradikale haben einiges miteinander gemein, nicht zuletzt den Hass auf Lesben und Schwule. Über das fürchterliche Attentat auf den Nachtclub in den USA, bei dem mindestens 50 homosexuelle und transsexuelle Menschen getötet wurden, werden sich weltweit viele Millionen Menschen freuen. Das gilt nicht nur in Ländern, wo Menschen wegen ihrer gleichgeschlechtlichen sexuellen Orientierung immer noch gefoltert und hingerichtet werden, sondern auch hier in Deutschland.

Als ich mich im Teenageralter mit meiner glücklichen Veranlagung auseinanderzusetzen und zu arrangieren begann, gab es in diesem Land nicht viel sachliche Informationen, geschweige denn Anerkennung und Respekt für Homosexuelle. Mir war sehr wohl bewusst, dass mich damals nur 40 Jahre von der Zeit trennten, als Schwule noch in Konzentrationslagern interniert und getötet wurden. Damals hätte ich nie gedacht, dass ich in diesem Land eines Tages glücklich mit einem Mann verheiratet sein würde, auch wenn dies hier bei uns nach wie vor offiziell immer noch nicht so heißt. Zuletzt war ich sogar ziemlich überzeugt davon, dass wir bald eine echte Gleichstellung von lesbischen und schwulen Partnerschaften erleben werden, dies auch beim Familienrecht. Wäre ich nur etwas später geboren, so dachte ich manchmal mit etwas Bedauern, dann hätte ich vielleicht im Zuge einer Adoption noch Vater werden können. Heute dreht sich das Rad offensichtlich wieder zurück. Zwar sind einige Länder damit wesentlich fortschrittlicher sind als wir. Gleichzeitig wächst aber in immer mehr europäische Staaten die Homophobie an. Wenn bei uns Politiker wie Frau Petry oder Herr Erdogan an Einfluss und Macht gewinnen, dann werden wir es auch hier noch erleben.

Länder wie die Bundesrepublik müssten in dieser Frage endlich klar und deutlich Farbe bekennen. Jede Halbherzigkeit im Hinblick auf die Gleichstellung von schwulen und lesbischen Partnerschaften ist nicht mehr und nicht weniger als eine Schwäche unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Meiner Meinung nach geht es hier und heute um ein Menschenrecht und nicht einfach um eine Entscheidung, die von politischen Parteien beschlossen oder verworfen werden kann. Es ist kein Geheimnis, dass die Bundesregierung nur darauf wartet, dass der Europäische Gerichtshof diese Frage für sie abschließend klärt. Dass Europa unsere Regierung dazu zwingen muss, zu uns zu stehen, ist beschämend, aber vielleicht ein guter Grund, doch weiter mit Hoffnung auf die Europäische Union zu schauen. Ich habe sie jedenfalls noch nicht verloren. Und jetzt schaue ich mir doch noch die letzten Minuten des Spiels an. Da liegt Deutschland nicht hinten.

© Bert te Wildt