Ich habe mich schon dabei erwischt, wie ich mir einen Shitstorm herbeigewünscht habe. Ist mir noch nie passiert. Aber seit ich publizistisch unterwegs bin, denke ich manchmal an die Binsenweisheit, dass es nur eine Art von schlechter Presse gibt, nämlich gar keine. Das mag ja für die sozialen Netzwerke genauso gelten. Seit ich mich etwas näher mit dem Phänomen Hatespeech insbesondere im Hinblick auf Medienschaffende beschäftigt habe, denke ich jedoch anders darüber.

Im Netz von einzelnen oder gar einem ganzen Mob nicht nur beschimpft sondern auch bedroht zu werden, muss schrecklich sein. Ich versuche mir vorzustellen, welcher analogen Situation es ähnelt. Vielleicht ist es ungefähr so, wie auf einem öffentlichen Platz zu stehen und von einer Horde Fremder bedrängt, belästigt und bedroht zu werden. Vielleicht deutet sich hierin auch eine Erklärung dafür an, warum es eher Frauen zu treffen scheint. Vielleicht spiele ich hier aber auch mit einer shitstorm-verdächtigen Analogie, also mit dem Feuer (Muss ich noch einmal drüber nachdenken, bevor ich das ins Netz heraushaue).

Jedenfalls bekommt die Redenwendung, dem Volk aufs Maul Schauen, im digitalen Zeitalter eine neue Dimension, gerade auch für Journalistinnen und Journalisten, die den Spagat zwischen klassischen Formaten und Social-Media-Journalismus wagen. Sich „Lügenpresse“ im Netz vielstimmig und quasi direkt ins Gesicht schimpfen lassen zu müssen, ist schon krass. Wenn „die Presse“ an den digitalen Pranger gestellt wird, ist sie geradezu dazu gezwungen, für unser demokratisches Wertesystem geradezustehen. Journalismus – und aus meiner Sicht nicht zuletzt sondern ganz besonders auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Fernsehen, Radio und Netz, ist aus meiner Sicht ein Bestandteil unserer Demokratie, den es besonders zu schützen gilt. Offensichtlich haben viele JournalistInnen den Eindruck, es selbst in die Hand nehmen zu müssen, hierfür den Kopf hinzuhalten. Und wenn sie dann Haltung zeigen, dann wird ihnen dies von einem zur Zeit offensichtlich größer werdenden Teil der Bevölkerung als Meinungsmache und Propaganda hingestellt. Ein gefährlicher Teufelskreis ist das.

Wenn wir nicht selbst längst demokratiemüde geworden sind, dann müssen wir uns schleunigst vor Journalistinnen und Journalisten stellen, die im Netz angefeindet werden. Mit ihnen sollte uns langsam Angst und Bange werden. Man denke nur daran, was wir mittlerweile aus denjenigen Staaten gewohnt sind, in denen die Pressefreiheit immer mehr eingeschränkt wird. Es sieht danach aus, dass in diesen Ländern JournalistInnen immer mehr als Freiwild angesehen werden. Hatespeech wird dort nicht selten von den Geheimdiensten gefördert, manchmal auch über Ländergrenzen hinweg. Hier wie dort erzeugen faschistoide Mobs im Netz ein vergiftetes Klima, dass die Schwelle zur Handgreiflichkeit immer weiter zu senken droht. So wie der IS mit seiner Propaganda Einzeltäter in aller Herren Länder hervorbringt, die sich auch ohne einen direkten Kontakt zur Organisation dazu berufen fühlen, in ihrem Namen Anschläge zu verüben, so ist dies auch im Zuge rechtspopulistischer Propaganda zu befürchten. Es gibt leider genügend Neonazis, die nur darauf warten, für eine Untat beklatscht zu werden. Das Netz ist schon voll von hasserfülltem Applaus.

Bei einer angemeldeten und genehmigten PEGIDA-Demonstration ist passiert, was man in unserem Land bis vor kurzem noch kaum für möglich gehalten hätte: JournalistInnen wurden auf einer Demonstration attackiert. Diese Angriffe gelten uns allen.

 

Bert te Wildt©