Bedauerlicherweise hat auch der jüngste Wahlausgang in den USA viel mit dem zu tun, was in der globalen Medienlandschaft derzeit so alles schief läuft. Klar, es ging dabei auch um Ängste vor der Globalisierung (die nicht zuletzt ein Produkt der Digitalisierung ist) und die sich vergrößernde Schere zwischen Arm und Reich durch den Neoliberalismus (der nicht zuletzt vom Silicon Valley seinen Ausgang genommen hat). Aber die jüngste Medien-Wahlschlacht und das sinkende Niveau der politischen Kommunikation, sie sind ein Ausdruck eines Populismus, der sich aus einer sich umfassend verändernden Medienlandschaft speist. Hier hat keine Schwarmintelligenz der Demokratie unter die Arme gegriffen, wie wir sie dem Internet zuschrieben. Das ist schwarmdumm gelaufen.

Die alten Medien und damit dasjenige, was wir heute mit feuchten Augen verklärt als Qualitätsjournalismus betiteln, können uns offensichtlich nicht mehr vor dem Populismus retten. Sie sind kaum mehr dazu in der Lage, ein Wahlergebnis anständig vorherzusagen. Sie werden vielmehr immer häufiger aufgekauft und instrumentalisiert, wie zum Beispiel die Washington Post von Amazons’ Jeff Bezos. Das perfide am Populismus ist ja, dass bei ihm der Abwehrmechanismus kollektiver Projektion perfekt funktioniert. Vermeintlich Schwächere müssen als schwarze Schafe für die Minderwertigkeitsgefühle derjenigen herhalten, die sich gerne selbst zu Herrenmenschen aufschwingen würden. Und die besten Beispiele für die sogenannte „Lügenpresse“ findet man bei der radikalen Rechten selbst. Ein einschneidendes Erlebnis war es für mich vor einem Jahr, die unsägliche Zeitschrift Compact auf einem großen Stapel an prominenter Stelle in unserer heimischen Bahnhofsbuchhandlung vorzufinden. In der damaligen Ausgabe fanden sich vor allem pro-russische und anti-ukrainische Propaganda. Ich bin mir sicher, dass Putin nicht nur Trump, Erdogan und Le Pen sondern auch Petry und Magazine wie dieses unterstützt. Das aktuelle Compact-Spezial zeigt Clinton übrigens gerade als „Kandidatin des US-Faschismus“. Nun scheint auch die FOCUS-Gruppe langsam aber sicher auch auf den AfD-Markt zu schielen. Heute morgen sah ich eine Werbung für FOCUS-Money, auf dessen Titel Trump als Börsenheld verehrt wird: „GREAT! Wie Trump die Börse entfesselt und die meisten Medien Sie für dumm verkaufen.“ Ja, das „Sie“ ist groß geschrieben. Endlich wird die Lügenpresse für uns in den Fokus genommen.

Das sogenannte Zeitalter des Postfaktischen, der Casting-Show erfahrene Trump wird es uns einläuten und einbläuen. Den weg hierfür hat längst schon das Fernsehen bereitet. Die televisionäre Gleichschaltung von Medien ist uns längst bekannt aus Funk und Fernsehen von Diktaturen. Gewählte Quasi-Diktatoren wie Putin, Orban und Erdogan setzen darin gerade neue Trends. Wir kennen sie aber auch von kapitalistischen Monopolen, wie zum Beispiel von Berlusconi, der ja für Trump eine wunderbare Vorlage geliefert hat. Letzterer hat längst angefangen damit, Medien zu vereinnahmen (siehe Breitbart) oder in ihrer Berichterstattung zu beeinflussen (siehe Fox). Und dann sollte doch auch noch Trump-TV kommen. Irgendein/e Trump-Verwandte/r wird sich schon finden lassen, die oder der hier das Ruder übernimmt. Konsequent wäre eine Kombination aus Reality-Show und Shopping-Sendung, die direkt aus dem Weißen Haus gesendet wird. Die könnte doch die hübsche Ivanka übernehmen, die Jette Joop der Familie Trump. Dass da irgendetwas nicht stimmt, dürfte kaum einem Fernsehzuschauer mehr auffallen. Viel mehr noch als bei uns ist in den USA Scripted Reality das Fernsehformat der Stunde und das nicht erst seit gestern. Den Unterschied zwischen Fiktion und Realität, zwischen Lüge und Wahrheit, das interessiert kaum noch jemanden, es sei denn die Lügenpresse stört uns, indem sie uns differenzierte Betrachtungen und Meinungen abverlangt. Wahrheiten und Fakten sind out.

Und über das böse Internet haben wir noch gar nicht gesprochen. Muss man noch schreiben von Hackern, die versuchen die Meinung der Wähler mit Unwahrheiten zu manipulieren. Hat noch jemand nicht mitbekommen, dass im Netz erwiesenermaßen mehr Bots als Menschen miteinander kommunizieren und dass dort mehr unwahre als wahre Nachrichtenmeldungen kursieren. Sollen wir darüber lamentieren, dass gezielt und ungezielt digitale Mobs im Netz entstehen, die mit Hass und Häme die Unzufriedenen verführen und anstacheln. Müssen wir uns ernsthaft darüber wundern, dass so vieles von dem, was uns das Netz an instant democracy verheißen hat, nicht wahr geworden und zum Teil sogar ins Gegenteil umgeschlagen ist. – Wer sich sonst nicht für Wissen und Wahrheit interessiert, macht sich auch nicht im Netz die Mühe, sie zu ergründen.

Ich weiß nicht, ob es Bernie Sanders und seine Wähler anders gemacht hätten, aber ich hoffe es. Ich muss zugeben, dass ich nicht an ihn geglaubt habe. Heute denke ich, dass er vielleicht gegen Trump hätte gewinnen können, allein schon weil die vielen jungen Leute, die ihn unterstützten, sich auf die Dynamiken des Internetzeitalters besser verstehen, als die von Clinton und Co. Vielleicht wäre es dem neoliberalen Establishment von Trump und Co. an den Kragen gegangen und wir hätten genau das Gegenteil erlebt, eine linksliberale Revolution, vielleicht. Ich hätte gerne geschrieben, wie sehr das Internet der freiheitlichen Demokratie dient. Da es leider nicht passiert ist, bleibt uns die Frage erspart, ob sich die Anhänger von Sanders dabei digital auch die Finger schmutzig gemacht hätten.

Bert te Wildt©