Erst war immer von ISIS die Rede, wie die ägyptische Göttin der Geburt und der Magie. Aber es blieb nicht auf den Irak und Syrien beschränkt. Muslimische Gegner nennen die terroristische Vereinigung auch Daesch, was sowohl als Akronym funktioniert als auch auf ein ähnlich klingendes abwertendes Wort anspielt und damit diskreditiert. Kalifat klingt dagegen irgendwie romantisch nach Tausend und einer Nacht. Ein Verwandter von mir, der in den USA lebt, spricht der Gruppierung den Rang von Terroristen überhaupt ab; die hätten wenigstens ein moralisches Ziel. Er wies mich auf den US-amerikanischen Komiker John Oliver hin, der die ganze Bande in einem Lehrstück politischer Satire in penetranter Wiederholung einfach als Arschlöcher erster Güte bezeichnet.

Wie wir sie benennen ist von Bedeutung, aber wir sollten aufpassen, dass wir die Bezeichnung, die sie sich selbst geben, nicht einfach übernehmen. Wir sollten aus meiner Sicht ganz deutlich sagen: Es gibt keinen Islamischen Staat. Und wir sollten hoffen – nicht beten – und handeln, dass es ihn auch niemals geben wird. Wir Deutsche können vielleicht sogar noch nachvollziehen, wenn es einen jüdischen Staat geben würde (wobei Israel keine Theokratie ist). Und wir mögen einen katholischen Staat dulden, (auch wenn wir die globale Macht des Vatikanstaats mit einiger Berechtigung kritisieren). Wir selbst leben aber zumindest nicht in einem christlichen Staat. Gottseidank möchte man fast sagen.

Ich selbst bin ein großer Fan von Europa als Hort von Aufklärung und Säkularisierung. Das muss mich nicht davon abhalten einen Glauben zu haben, der auch mein Handeln als Bürger beeinflusst. Und ich gehe davon aus, dass es den meisten in unserem Land so geht. Es würde uns gut zu Gesicht stehen, wenn wir mit gutem Beispiel vorangehen und noch viel konsequenter damit umgehen würden.

Wenn wir die Säkularisierung weiter vorantreiben und die Religionen aus den Staatswesen vertreiben, wie Jesus die Händler aus den Kirchen, dann werden wir umso glaubhafter, wenn wir demjenigen und denjenigen, die wir als IS bezeichnen, zumindest schon einmal sprachlich die Existenzgrundlage absprechen bzw. ihnen die Existenzberechtigung entziehen, nicht als Menschen, sondern als Institution. Wenn überhaupt, dann sollten wir nur vom „sogenannten IS“ sprechen. Ignorieren können wir ihn nicht, aber wir dürfen uns nicht daran beteiligen, ihn heraufzubeschwören, indem wir ihn bei seinem selbstgewählten falschen Namen nennen. Die Bezeichnung darf nicht zu einem Versprechen werden, das zur selbsterfüllenden Prophezeihung wird. Wir müssen die Macht und Gewalt ernst nehmen, aber wir dürfen das vermeintliche Endziel des sogenannten IS persiflieren und ignorieren, solange es geht. Den sogenannten IS ein Stück mit dem Satz Es gibt keinen IS ein Stück weit sprachlich zu verleugnen ist ein Pendant zu dem Satz Je suis Charlie. Es sind zwei Seiten ein und derselben Medaille. Sprache wirkt.

Bert te Wildt©