Was haben wir darum gekämpft, endlich so oft und so lange wie möglich im Homeoffice arbeiten zu dürfen. Nun haben wir den Salat, nämlich zu viel davon. Die Pandemie funktioniert als Katalysator für so einiges. Ob sie die Digitalisierung in unserem Land tatsächlich vorangetrieben hat, mag fraglich sein. Das was die freie Marktwirtschaft währenddessen so an Innovationen fabriziert hat, hat mich bislang jedenfalls nicht umgehauen. Auch die digitalen Lösungen für die Arbeit zu hause sind nicht wirklich neu, ob nun fürs Homeoffice der Berufstätigen oder für die Homework von Schülern.
Menschen in der Pflege und Medizin, deren Arbeit die unmittelbare Präsenz erfordert, konnten anfangs manchmal etwas neidisch werden auf diejenigen, die im Homeoffice arbeiten durften und das vielleicht auch noch in Kurzarbeit. Aber das hat sich mit der Zeit relativiert. Wer beispielsweise nebenbei noch die Kinder im Homeschooling betreuen muss, braucht für die Arbeit viel mehr Zeit und Nerven. Für diejenigen, die in einer Einzimmerwohnung wohnen und gezwungen sind, dort auch noch monatelang allein zu arbeiten, ist das auch kein Spaß. – Am Ende fehlen doch vermutlich allen die sozialen Beziehungen, die Arbeit oft erst attraktiv machen.
Unternehmen sind vor allem Gemeinschaften. Mitarbeiter*innen identifizieren sich nicht allein mit dem abstrakten Konstrukt einer Firma, sondern mit einem physischen Ort und der körperlichen Präsenz von Menschen, die dort gemeinsam etwas schaffen. Pädagogen und Psychotherapeuten können ein Lied davon singen. Ihre Beziehungsarbeit lässt sich zwar durchaus ein ganzes Stück weit digitalisieren, aber ohne die leibhaftige Begegnung kommen sie auf die Dauer nicht aus. Im besten Fall baue ich zu einem Unternehmen und seinen Projekten und Produkten eine Beziehung auf. Dazu gehören nicht nur Menschen, sondern auch ein Ort, an dem man sich zum Arbeiten trifft.
Nicht erst seit der Krise wird dies von Ökonomen allerdings radikal in Frage gestellt. Die so einflussreichen Unternehmensberater*innen leben es uns vor. Man brauche doch kein eigenes Büro, keinen eigenen Arbeitsplatz, keine zeitlichen Limits und ähnliches mehr, um seiner Arbeit nachzugehen. Eine übermäßige Identifikation erscheint in ihren Augen als kontraproduktiv. Diejenigen, die für ein Recht auf Homeoffice gekämpft haben, werden sich deshalb noch umschauen. Längst wittern Unternehmen die Möglichkeit, massiv Kosten zu sparen, wenn sie reihenweise Büros in teuren urbanen Umfeldern dicht machen. Die Arbeitnehmer*innen kriegen zum Ausgleich vielleicht eine kleine Zulage, jedoch bestimmt längst nicht das, was an anderer Stelle eingespart wird. Das könnte jedoch eine Milchmädchenrechnung sein. Die Identifikation mit einem verorteten und verbundenen Team ist als Ressource nicht zu unterschätzen.
Einsamkeit dagegen macht krank. Vermutlich auch wegen der zunehmenden Vereinzelung von Angestellten und Selbständigen werden die psychischen Erkrankungen im Zuge von sogenannten arbeitsbezogenen Störungen immer mehr. Nicht nur überall sondern auch jederzeit arbeiten zu können, kann zum puren Stress ausarten. Wer schon früher ein Problem hatte, sich von der Arbeit abzugrenzen und sich zu entspannen, hat mit dem Homeoffice seine Probleme. Die Pandemie wirkt leider auch hier als Beschleuniger, in diese Fall der Entgrenzung von Arbeit. Während die einen an Bore Out leiden, erliegen die anderen einer akuten oder chronischen Erschöpfung, einem Burn Out oder einem Burn On. Einsam und gestresst, das ist eine ziemlich toxische Kombination.
Das Recht auf einen Arbeitsplatz, wir sollten es im umfassenden Sinne sehr ernst nehmen. Arbeitnehmer*innen sollten da mehr als ein Wörtchen mitzureden haben. Dafür braucht es Spielregeln. Derweil wird es vermutlich auch der Markt regeln. Wer in Zukunft begehrte Fachkräfte anheuert, sollte nicht nur die Möglichkeit zum Homeoffice sondern auch ein attraktives Office mit netten Kolleg*innen im Angebot haben.