Kürzlich in einem Parkhaus sah ich, wie ein sehr schicker Porsche SUV zweimal leicht einen BMW SUV bei dem Versuch rammte, in eine zu kleine Lücke einzuparken. Weiter oben waren noch viele Plätze frei. Man braucht nur ein wenig Geduld, dachte ich. Meinem Rechtsempfinden entsprechend schaute ich nach, ob der BMW beschädigt war. Der Fahrer des Porsches, ein älterer Herr von bestimmt 80 Jahren, saß noch im Wagen, ließ nur unwillig die Scheibe herunter und fragte was denn los sei. Ich sagte, dass er den Schaden melden müsse. Das könne nicht sein, sagte er, bevor das Auto irgendwo hineinfahren könnte, würde es automatisch halten.
Es ist soweit. Wir haben also damit angefangen, die Verantwortung an die Maschinen abzugeben. Bislang war ich schwer dagegen, wenn es um selbstfahrende Autos ging, aber offensichtlich ist der Trend nicht mehr aufzuhalten. Und ehrlich gestanden ist mir im vergangenen Jahr etwas Ähnliches passiert. Mein Auto gibt mir zwar mit Tönen zu verstehen, dass ich beim Einparken gleich irgendwo hinten reindengele. Aber es hält eben noch nicht von selbst. Und wenn ich im Parkhaus mit zu guter Laune, lauter Musik und zuviel Schwung seitlich eine Säule streife, dann hilft mir die Technik gar nicht. Seit es sie gibt, parke ich allerdings wesentlich schlechter ein. Assistenzsysteme machen mich wahnsinnig. Es scheint mir eine Entweder-Oder-Entscheidung zu sein. Wenn man einmal mit den ganzen Kameras, Sensoren und Alarmen anfängt, dann kann man das Fahren auch gleich ganz vom Computer übernehmen lassen. Die Zwischenlösungen nerven. So lasse ich mich vielleicht doch noch von der Aussicht auf selbstfahrende Autos überzeugen.
Wenn es sie schon jetzt geben würde, könnte auch der ältere Herr davon profitieren, denn er dürfte jetzt seinen Führerschein verlieren. Vielleicht ist die Autoindustrie deshalb so scharf auf diese Entwicklung. Die Überalterung der Gesellschaft braucht eine Lösung für das Mobilitätsbedürfnis. Heute verbindet man mit dem Ruhestand doch vor allem die Aussicht, möglichst viel Urlaub zu haben, sprich zu Reisen. Das Schlimmste, was man Rentnern antun kann, ist sie zur Ruhe zu zwingen. Bald schon könnte man eine Heerschar von Senioren mit selbstfahrenden Fahrzeugen allein zu zweit und in Gruppen auf die Straße schicken. Der immergleiche Blick aus dem Zimmer im Seniorenwohnheim ist doch auf die Dauer nicht zumutbar. Warum also setzen wir die Alten nicht gleich in einem mobilen Zimmer auf die Straße, durch den Alltag und auf Reisen. Ein Besuch von Oma und/oder Opa ist dann kein großer Akt mehr, auch wenn man längst hunderte von Kilometern auseinander wohnt. Vor Ort könnte man die älteren Herrschaften so zu den hochfrequenten Arztbesuchen, zu Tagesstätten, Kirch- und Friedhofsbesuchen schicken. Ausgestattet mit intelligenter medizinischer Technologie könnten so selbst Bettlägrige durch die Gegend kutschiert werden und hätten immer etwas zu schauen. Und wenn es gesundheitliche Probleme gibt, würde das von medizinischen Assistenzsystemen erkannt und gleich eine Praxis oder ein Krankenhaus angesteuert. Eigentlich könnte man dann ganz auf Heime verzichten.
Die mobile senior homes müssten am Besten von einer Art Einheitsmodul ausgehen, und wären dann gerne auch in verschiedenen Größen lieferbar, ob zu zweit oder allein und je nach finanziellem oder mobilitätsmäßigem Radius. So würden sie sich wie Industriecontainer leicht in größere Transportmittel einfügen lassen. Die Senioren könnten sich auf diese Weise per Zug, Schiff und Flugzeug auf Reisen in Dauerschleife durch die Weltgeschichte schicken lassen, ohne auf den kleinsten Nenner an individueller, ästhetischer und orthopädischer Ausstattung verzichten zu müssen. Und wenn sie Gesellschaft brauchen, dann können wir auch ab und zu unsere Kinder mit in die Boxen stecken. Einfach pro Kind ein Smartphone mit dazugeben, dann kann eigentlich nichts schief gehen. Die Türen bleiben einfach zu. Das lässt sich ja heute per App alles auf Distanz steuern.
Ein mulmiges Gefühl aber bleibt. Der ältere Herr sah ziemlich krank aus, als er langsam vor mir zum Parkhauswächterhäuschen lief. Ich gab ihn dort ab wie einen Verbrecher. Wir befanden uns auf dem Gelände eines Krankenhauses und er wirkte ziemlich krank. Vielleicht bleibt ihm nicht mehr viel Zeit. Es mag seine letzte selbständige Fahrt in einem Auto gewesen sein. Die selbstfahrenden Autos wird er jedenfalls nicht mehr erleben. Aber er sah auch nicht so aus, als würde er sich darüber noch freuen können. Ich bin mir nicht sicher, ob es mir anders gehen wird, wenn es bei mir soweit ist.