In meinem Elternhaus standen Klassik und Western an der Tagesordnung. Wie Popmusik hatten bei uns auch Science-Fiction-Filme den Ruch des Unanständigen, fragen Sie mich nicht warum. Die neuesten technischen Geräte, später auch die Computer, waren schon okay. Wir hatten den ersten Schachcomputer und das erste Computerspiel. Und als ich zur Konfirmation meinen ersten PC bekam, schien die Welt endlich in Ordnung. Damals hätte ich mir noch nicht träumen lassen, wie sehr Computer und Roboter die Welt revolutionieren würden. Mehr noch als die Hardware ist meiner Ansicht nach das Internet – der immaterielle Großraum, in dem sich bald alle Maschinen, Medien und Menschen miteinander verbinden – die entscheidende Sphäre, wenn es um den Blick in die Zukunft geht.
Das Internet ist eine Art geistiges Raumschiff, mit dem wir langsam aber sicher von der Erde abheben, wenn wir unsere Existenz immer weiter auf die virtuelle Ebene verlagern. So dachte ich zumindest. Seit ich mich mit der Bedeutung der digitalen Medien für den Menschen beschäftige, bin ich immer wieder auf der Suche nach passenden Metaphern und Analogien für das Internet. Später erschien mir die Parallelwelt des Cyberspace, der Raum, den alle Computer zwischen sich aufspannen, eher wie ein virtueller Planet, auf den wir im Zuge der Medialisation umziehen. Vielleicht geht es aber vielmehr um ein ganzes Paralleluniversum, eine neue immaterielle Heimat des Menschen, dessen geistige Existenz im Zuge seiner Evolution immer stärker geworden ist und jetzt einen eigenen Lebensraum jenseits der biologischen Begrenzungen beansprucht.
Seit die künstliche Intelligenz nun aber mehr und mehr Maschinen auf irdischem Terrain zu beherrschen lernt und damit den Menschen die Roboter nicht nur an die Seite stellt sondern auch vor die Nase setzt, komme ich auch mit meinen utopistischen Deutungsversuchen auf den Boden der Tatsachen zurück. Nur der Begriff der Clouds zeugt noch von den atmosphärischen Veränderungen der digitalen Großwetterlage, die einen dichten medialen Film über unser diesseitiges Dasein gelegt hat. Allerdings droht uns der digitale Himmel gerade auf den Kopf zu fallen. Mehr noch, er fällt uns gerade quasi in den Kopf hinein.
In Wirklichkeit ist der Cyberspace nämlich nicht über die Ebene der Telefonmasten und Satelliten hinausgekommen, die das Netz über unseren Köpfen und zwischen unseren Hosen- und Handtaschen aufspannen. Die Datenwolken ziehen bereits durch unsere Köpfe hindurch, dies auch bald ganz konkret. Denn die Geräte und damit der Cyberspace rücken immer weiter an uns heran – wie beispielsweise die Google-Glasses – und in uns hinein – wie digitale Chips, die uns unter die Haut oder sonst wohin platziert werden. Längst ist es gelungen, Nervenfasern und Datenleitungen miteinander kurz zu schließen.
Wenn es aber keine Distanz mehr zur medialen Großsphäre gibt, wenn sie quasi stets durch uns hindurchwirkt, wie können wir dann überhaupt noch frei und unabhängig von ihr handeln. Denken wir dann noch oder werden wir gedacht? – Mit all den Rückkopplungsmechanismen und Filterblasen, mit Hilfe derer das Internet längst unser Bedürfnisse und Wünsche nicht nur erkennen und voraussagen, sondern auch steuern und manipulieren kann, stellt sich Sigmund Freuds Frage nach dem Bewusstsein neu, ob wir Menschen denn überhaupt Herr im eigenen Hause sind: Werden wir uns langfristig überhaupt noch von Robotern unterscheiden? – Zweifellos sind wir im Science Fiction angekommen, weniger bei Spielberg und Lucas als vielmehr bei Orwell und Huxley. Spannend ist es so oder so.
© Bert te Wildt