Recep hat angefangen. Ungefähr so ergab es sich: Mit hunderten von Klagen hat er schon in der Türkei auf vermeintliche Beleidigungen seiner Person reagiert. Ein ARD-Satiriker von extra 3 hat daraufhin ein Spottlied gedichtet, woraufhin sich das türkische Staatsoberhaupt wiederum beleidigt zeigte und sich beim deutschen Botschafter in Ankara und der Bundesregierung beschwerte. Unser Staatsoberhaupt wies dies öffentlich und entschieden zurück. Einem ZDF-Satiriker war das offensichtlich nicht genug und er dichtete ein Schmähgedicht über besagtes Staatsoberhaupt, das überaus beleidigend ist und die Weiten und Grenzen von Satire aufzeigen soll. Es spricht einiges dafür, dass dieser Satiriker selbst ziemlich beleidigt war, weil er den Satire-Coup nicht selbst gelandet hatte. So legte er tüchtig nach. Umso beleidigter reagierte wiederum der oberste Türke und einige andere Türken mit ihm, nicht zuletzt, weil die Verse mit ziemlich derben Vorurteilen gegenüber Türken spielen, die man unter anderem auch als rassistisch einstufen könnte.
Nun gibt es da einen überflüssigen deutschen Paragraphen, über den eine Bundesregierung dazu aufgefordert werden kann, darüber zu entscheiden, ob eine Klage gegen eine Beleidigung auch von anderen Staatsoberhäuptern von einem deutschen Gericht angenommen werden kann. Nach einiger Bedenkzeit und einer Pattsituation in dem entsprechenden Gremium musste das deutsche Staatsoberhaupt unwillig eine Entscheidung fällen. In ihrer offiziellen Erklärung, die vermutlich kaum jemand im vollen Wortlaut kennt, betonte sie zunächst sinngemäß, wie wichtig ihr die Presse-, Meinungs- und Kunstfreiheit ist, und dass sie nicht müde werde, die Einschränkung dieser, wie es auch in der Türkei geschehe, anzumahnen. Sie wolle sich nicht über die Gerichte stellen und diese entscheiden lassen, aber sich dafür einsetzen, den überflüssigen Paragraphen abzuschaffen.
Mit sichtlich hochrotem Kopf verkündeten daraufhin die Spitzen von SPD und Grünen ihr Unverständnis über diese Entscheidung. Diese Männer machten einen sehr beleidigten Eindruck, was mehr mit ihren Umfrageergebnissen und der Irrelevanz ihrer Parteien für die aktuelle Bundespolitik zu tun haben dürfte als mit dem Satirestreit. Diese wahlweise zähneknirschenden oder derwischhaften Reaktionen auf Kränkungen kennt man ebenso gut von den Hitzköpfen von FDP und CSU, allesamt Männer, versteht sich.
Ich frage mich, was passiert wäre, wenn ein solches Schmähgedicht einer Frau gewidmet gewesen wäre, der Kanzlerin selbst, oder der polnischen Präsidentin, die ihr rein äußerlich seltsam ähnlich sieht. Stellen Sie sich vor, man hätte ihr diverse sexuelle Praktiken mit Tieren sowie die Verführung von Knaben angedichtet und sich über Besonderheiten ihrer Geschlechtsmerkmale lustig gemacht, das ganze noch verwoben mit typischen Vorurteilen gegenüber dem polnischen Volk. Ich bin mir unsicher, ob man dem Verfasser antipolnische Ressentiments und Rasssismus vorwerfen würde. Aber ich bin überzeugt davon, dass sich Frauen über den Sexismus empört hätten, der daraus gesprochen hätte. Auf den bundesdeutschen Feminismus ist Verlass.
Kurz gesagt, mir will nicht aus dem Kopf gehen, dass dem Umgang mit dem Fall Böhmermann mehr Vielstimmigkeit gut täte. Eine feministische Stimme käme hier gerade recht. Dann würde vielleicht auch deutlicher, dass es hier letztlich auch um Rassismus und Homphobie geht. – Moment mal, das klingt ja so, als wäre ich selbst beleidigt, wo ich doch peinlich darum bemüht bin, eben nicht zu den Männern zu gehören, die hauptsächlich mit dem Austeilen und Annehmen von Beleidigungen beschäftigt sind. – Jedenfalls bin ich einmal mehr froh darüber, in einem Land zu leben, das von einer demokratisch gewählten Frau regiert wird. Und ich mache mir keine Illusionen darüber, dass zu meinen Lebzeiten in der Türkei oder Polen noch einmal eine Frau wirklich an die Macht kommt. Frau Szydlo dürfte ebenso wenig Einfluss haben wie Herr Davutoglu. Kaczynski ist der Inbegriff von einer mächtig beleidigten Leberwurst. Das darf man sagen.
Bert te Wildt©