Seit die sogenannten First-Person-Shooter immer mehr online gespielt werden, scheinen immer mehr Patienten davon abhängig zu werden. Und sie kommen tatsächlich in Behandlung. In einer kürzlich veröffentlichten Studie erfüllten etwa ein Drittel der von uns untersuchten von Shooter-Spielen, die sich ursprünglich für psychisch gesund hielten, die Kriterien für eine Internetabhängigkeit. Ehrlich gesagt, macht es mir zunehmend Sorgen, dass die sowohl im quantitativen als auch qualitativen Sinne exzessive Ausübung virtueller Gewalt zur Sucht werden kann.
Allerdings haben wir bisher nicht überzeugend nachweisen können, dass das Spielen von First-Person-Shootern wirklich zu mehr echter Gewalt führt. Dass aber Menschen mit Aggressionen eher zu Shootern greifen und dass diese Aggressionen steigern können, ist aus meiner Sicht als erwiesen anzusehen. Zweifellos kann man mit Computerspielen auch bestimmte Fähigkeiten trainieren. Neben dem Schießen ist das zum Beispiel das Fliegen. Eines meiner Patenkinder hat sich das schon als Jugendlicher mit Flugsimulatoren beigebracht. Er studiert mittlerweile Luft- und Raumfahrtechnik. Dass er gern – manchmal auch gemeinsam mit mir – Shooter-Spiele spielt, sehe ich in diesem Zusammenhang nicht als problematisch an. Mit dem jungen Mann ist alles in Ordnung. Er spielt zunehmend seltener und engagiert sich in der amerikanischen Politik. Mit seinem Flugschein kann er jetzt wirklich selbst in die Luft gehen und dürfte sich deshalb weniger für unbemannte Flugobjekte interessieren.
Drohnen werden aber zuhauf in den USA an Privatleute verkauft und es wurde auch von dort aus damit begonnen, Drohnen in den Krieg fliegen zu lassen. Viele Zivilisten wurden dabei schon getötet. Dank Wikileaks kennen wir die Bilder aus den Hubschraubern der US-amerikanischen Piloten, die mit Zivilisten Katz und Maus spielten und diese von zynischen Kommentaren begleitet einfach abknallten, pardon, erschossen. Die Bilder aus den modernen Cockpits, sie unterscheiden sich kaum mehr von den hyperrealistischen Perspektiven der First-Person-Shooter. Ich frage mich, ob es emotional für die Piloten überhaupt noch einen Unterschied macht, ob sie in dem Fluggerät sitzen, von wo aus sie ihre Waffen abfeuern. Das reale Töten wird immer abstrakter, während das virtuelle Töten immer realistischer wird. Gleichzeitig vermischen sich daheim Erwachsenen- und Kinderwelt immer mehr. Die Vorbereitung auf die Drohnenkriege beginnt bereits in den Kinderzimmern. Das amerikanische Militär fungiert bei manchen Spielen als Produzent und versucht frühzeitig die besten virtuellen Piloten und Schützen für sich zu gewinnen. Diese Kriegssimulationen noch als Spiele zu bezeichnen, ist eigentlich zynisch.
Insofern sollten wir uns nun vielleicht doch noch einmal darüber Sorgen machen, welche Waffen da in welche Hände geraten. Ob nun ein Amokflug oder ein andere Art von Attentat aus der Luft, mit Drohnen können junge Männer schreckliche Dinge anrichten. Die Amokläufe an Schulen und die Terrorakte in den großen Metropolen haben mehr miteinander gemein, als wir wahrhaben wollen. Mit den Drohnen können sie nun auch noch massive Gewalt ausüben, ohne dass sie selbst dabei ihr Leben aufs Spiel setzen. Feige ist das, und vor allem ein Horrorszenario.
Stellen Sie sich vor, was man von zuhause aus mit bewaffneten Drohnen alles anrichten kann. Denken Sie an Massenveranstaltungen, fairerweise zum Beispiel einmal in Berlin: Ein Einzeltäter, der eine mit einer Bombe beladene Drohne in der Silvesternacht am Brandenburger Tor absetzt, oder ein von einer Horde junger Männer gesteuertes Drohnengeschwader, das bei einem Fußballspiel ins Olympiastadium hinein fliegt und in die Ränge feuert. – Aus meiner Sicht stellt die Entwicklung und der Einsatz bewaffneter Drohnen eine enorme Gefahr dar. Wie wäre es, wenn wir zur Abwechslung einmal eine gefährliche Technologie weltweit ächten, bevor sie in Serienproduktion geht?
In diesem Zusammenhang könnte man das Ergebnis einer US-amerikanischen Studie fast als tröstlich ansehen, dass Drohnenpiloten, die, tausende von Kilometern weit entfernt Menschen töten, während sie in virtuellen Cockpits in den USA sitzen, nicht selten die Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung entwickeln. Ich weiß nicht, ob ich ausreichend Empathie für einen Veteranen aufbringen könnte, der nie wirklich aus einem Krieg heimgekehrt ist, weil er sein Land nie verlassen und sein eigenes Leben nie aufs Spiel gesetzt hat. – Reue würde helfen.
Bert te Wildt©