Das mit den bevormundenden Schockbildern auf den Zigarettenschachteln geht mir entschieden zu weit, aber ein konsequentes Werbeverbot in der Öffentlichkeit ist längst überfällig. Dringender nur noch gehört die Werbung für Bordelle verboten. Dass dem noch nicht so ist, kann eigentlich nur das Werk von Lobbyisten sein, deren Lobbyarbeit ich mir ziemlich spannend vorstelle. Wenn es um Internetsucht geht, ist allerdings momentan besonders die Werbung von Glücksspielanbietern interessant. Auf einer großen Veranstaltung zum Thema Glücksspielsucht waren Online-Sportwetten das große Thema. Dort war zu erfahren, dass gerade Profisportler nach ihrem Karriereknick oder -ende häufig genau davon abhängig werden. Passend dazu machen Sportskanonen wie Boris Becker und Oliver Kahn Werbung für Anbieter von Sportwetten, die mittlerweile hauptsächlich online abgewickelt werden. Das ist ziemlich absurd, wenn man bedenkt, dass Online-Glücksspiele in Deutschland eigentlich verboten sind.

Die Übergänge zwischen Gaming und Gambling sind mittlerweile fließend. Diejenigen Online-Spiele, die abhängig machen, beinhalten längst Glücksspielelemente, z.B. die Ausschüttung von Gewinnen per Zufallsgenerator und die Möglichkeit seine virtuellen Spielfiguren und ihre Ausrüstungen gewinnbringend im Internet zu verticken. Beim E-Sport-Gambling geht es darum, auf Profi-Computerspieler Geld zu setzen, deren Wettkämpfe mittlerweile vor großem Publikum ausgefochten und weltweit übertragen werden. Schon seit einiger Zeit macht es die britische Firma Virgin möglich, dass man auf Computerspiele, die man selbst spielt, Geldbeträge setzen und verlieren kann, womit ausgerechnet Sportspiele wie die FIFA-Serie von Electronic Arts, die uns lange Zeit im Hinblick auf eine Suchtentwicklung als so unbedenklich erschienen, auch ihre Unschuld verloren haben. Und nun gibt es auch noch den Trend, im Internet, Teams zusammenzustellen und analog-reale Sportwettkämpfe zu organisieren, um auf diese dann zu wetten. Dieses sogenannte Fantasy Sports Betting schließt letztlich die Lücke zu den klassischen Sportwetten im Internet, von denen immer mehr junge Männer abhängig sind, die sich in unserer Sprechstunde vorstellen. Diese Wetten werden illegalerweise hauptsächlich über Smartphones abgeschlossen, überall und jederzeit.

Und was macht der Gesetzgeber. Der Glücksspielstaatsvertrag, der Sportwetten im Rahmen des staatlichen Monopols, das dem Spielerschutz dienen soll, bislang nur in analoger räumlicher und zeitlicher Begrenzung zugelassen hat, wird von einigen Bundesländern in Frage gestellt und unterminiert. Es sieht momentan so aus, als käme es zu einer weiteren Liberalisierung, wie sie sich in der Flut von Spielhallen, in der momentan noch die meisten Glücksspielsüchtigen ihr Geld verlieren, schon andeutet. Die von Lobbyisten bestürmte Politik schaut weg, lässt Illegales einfach geschehen und begründet dies – wie bei so vielen strittigen ungemütlichen Fragen – im Zweifelsfall damit, dass es irgendwann Entscheide nach EU-Recht schon richten werden. Derweil steigen die Zahlen an Glücksspielsüchtigen wieder.

Kurz und gut, ich bin gegen eine Aufhebung des staatlichen Glücksspielmonopols und eine Legalisierung von Online-Glücksspielen. Ich bin nicht für ein komplettes Verbot von Glücksspielen, was in vielen Ländern herrscht. Aber diese weitere Entgleisung des Neoliberalismus, den wir an anderen Stellen wieder mühevoll zurückzudrängen beginnen, sollten wir nicht zulassen. Mir ist bewusst, dass das eine ziemlich konservative Haltung ist. Ich kann mich ja nicht mal dazu durchringen, einer Legalisierung von Cannabis zuzustimmen. Vielleicht graut es mir auch einfach nur vor Kiffern in der Werbung.

© Bert te Wildt