Heute ist Sonntag, die Ausnahme von der Regel einer in der Regel arbeitsreichen Woche. Ich halte mir den Sonntag gerne schon mal frei von digitalen Medien. Aber vielleicht liegt das einfach nur daran, dass ich mit Computern vor allem Arbeit verbinde und mich nicht gut genug darauf verstehe, es mir auch im Netz schön zu machen. Was für die Woche der Sonntag, ist mir für das Jahr eine Woche Auszeit im Kloster. Damit habe ich schon vor über zwanzig Jahren begonnen, zu einer Zeit als ich noch gar kein mobiles digitales Endgerät mein eigen nannte. Die kostbare Zeit dort ist mir nach wie vor lieber als Digital-Detox-Retreats.
Mit analogem Schreiben, Lesen und viel Nachdenken, mit Läufen und Spaziergängen in den umliegenden Wäldern kann ich dort herrlich erden, geistig wie körperlich. Die dortige Allgegenwart von Metaphysischem ist für mich nicht unwichtig. Es ist aber auch bestimmt kein Muss, um da analog erfrischt wieder herauszukommen. Ich jedenfalls gewinne durch den Abstand immer wieder eine neue Perspektive auf meinen beschleunigten Alltag. Diese einwöchige Zeitinsel wirkt lange nach, weil sie mir ins Bewusstsein ruft, was mir als wirklich wichtig erscheint. Seitdem mir die Besuche zum Ritual geworden und in Fleisch und Blut übergangen sind, trage ich irgendwie das Kloster in mir, auch wenn das wie der Titel eines billigen, esoterisch angehauchten Romans klingt. Die Erfahrung nehme ich dann mit, insbesondere wenn ich mir im Alltag kleinere Zeitinseln einrichte, die mich daran erinnern.
Das können eben solche Sonntage sein oder mal ein ganzer Abend in der Woche mit guter Musik, einem guten Buch und einem guten Glas Wein. Jeder Tag sollte solche Auszeiten haben, sagen wir mal mindestens drei Stunden: Neben der ersten Stunde des Tages nach dem Aufwachen und der letzten Stunde vor dem Einschlafen, richtet man sich bestenfalls auch am Tage mindestens eine Stunde ein, die unbehelligt ist von digitalen Medien, unerreichbar vom kommunikativen Datenfluss. Aber es geht eben nicht nur um Zeiten sondern auch um Räume. Analoge Zeit-Räume, die frei bleiben von digitalen Medien erscheinen mir mehr als sinnvoll, nicht nur wenn Kinder mit Haus leben. Überall da, wo es um analoge Selbstfürsorge, um das leibliche und sinnliche Wohl geht, haben für mich digitale Bildschirmmedien nichts zu suchen, neben dem Schlafzimmer zum Beispiel auch in Küche und Bad. Wer sich schon einmal von seinem Fernseher getrennt hat, weiß, wie einschneidend solche Entscheidungen für Lebenskultur und –qualität sein können.
Wo ich gerade aus dem Kloster komme und schon einmal dabei bin, einen gewissen pastoralen Ton anzuschlagen, könnte ich noch hinzufügen, dass man neben den Zeiten und Räumen auch festlegen kann, bei welchen Ritualen die digitalen Geräte nichts zu suchen haben, bei den Mahlzeiten zum Beispiel. Aber bei allem Sendungsbedürfnis, das man mir hier unterstellen könnte, bleibt doch die Feststellung, dass es eben längst nicht mehr darum geht, zu schauen, wie wir die digital verbrachten Zeiten möglichst klein halten, sondern dass es überhaupt noch Zeiten, Räume und Gelegenheiten gibt, die analog gestaltet und erlebt werden. Längst gehen die Fragen an meine Patienten ebenfalls in diese Richtung, wenn ich mir über ihr Mediennutzungsverhalten ein Bild machen will. Es geht also um die Ausnahmen von der digitalen Regel, die ich längst zu akzeptieren bereit bin. – Heute allerdings bleibe ich mal bei der sonntäglichen Ausnahme und stelle diesen Text erst in der kommenden Woche online.
Bert te Wildt©