Eine Online-Ambulanz für Online-Süchtige, das empfinden tatsächlich nicht wenige als eine Provokation. Das Schwarz-Weiß-Denken, ob es nun um die gute alte analoge und die schöne neue digitale Welt geht, oder um die scheinbare Unvereinbarkeit von Euphorie und Besorgniserregung angesichts der Virtualisierung des Alltagslebens, wir haben es wohl längst noch nicht überwunden.

Vor kurzem hielt ich vor Psychotherapeuten einen Vortrag über die Chancen und Risiken der digitalen Revolution für die psychische Gesundheit. Es ging darum, inwiefern eine im qualitativen oder quantitativen Sinne exzessive Internetnutzung schädlich sein kann, aber auch um die Frage, wie man Computer in der Psychotherapie sinnvoll anwenden kann. Dabei habe ich ebenso versucht, die Sorge um einige vermeintliche Gefahren zu entkräften, wie einige aus meiner Sicht problematische therapeutische Anwendungen angemessen zu kritisieren. Die Beobachtung, dass jedes digitale Mittel wie jeder analoge Gegenstand auch zur Waffe werden kann und es einfach nur an uns liegt, wie wir sie verwenden, ebenso wie die Beobachtung, dass auch bei der Psychotherapie im Netz der entscheidende Faktor die Güte der Beziehung ist, scheint die wenigsten Psychotherapeuten zu beruhigen. Ich wollte durchaus Widerspruch erregen, indem ich Widersprüchlichkeiten im Zuge übereilt vereinfachender Bewertungen aufzeigte. Dies tat ich jedoch in der Hoffnung, dass die Irritationen zu einer differenzierteren Sichtweise beitragen. Nun bin ich mir ziemlich unsicher, ob mir das gelungen ist.

Sicher bin ich mir dabei allerdings in einer Haltungsfrage geworden, die mich selbst betrifft. Auch wenn ich es tagtäglich mit dem Leiden von Internetabhängigen und ihren Angehörigen – quasi mit den ersten Opfern des Internetzeitalters – zu tun habe, mag ich nicht müde werden, mich um Zuversicht zu bemühen. Es geht letztlich um die Bemühung, die digitale Revolution so mit zu gestalten, dass sie dem Menschen unterm Strich gut tut. Das heißt nicht, dass ich mich ihr an den Hals schmeißen und alle Sorgen über Bord schmeißen will. Wenn mich der Zweifel überkommt, möchte ich im Zweifelsfall aber lieber daran mitarbeiten, kreative Lösungen für diejenigen Probleme zu finden, vor die uns die digitale Revolution stellt.

Das ist für mich nicht zuletzt auch eine persönliche Angelegenheit. Ich mag eine nicht unerhebliche Skepsis gegenüber dem haben, was man als Positive Psychologie bezeichnet. Aber ich habe mich dazu entschieden, mich wieder dem Optimisten anzunähren, der ich als Heranwachsender war. Ich mag nicht zum Misanthropen werden. Wie könnte ich, wenn ich täglich damit befasst bin, dass es Menschen seelisch gut oder zumindest besser gehen möge. – Freunde haben mich davon überzeugt, dass es irgendwie verlogen und falsch ist, die digitale Revolution zu verteufeln. Dies geht allein schon deshalb gar nicht, weil ich zu den Computern, auf denen ich schreibe, ein liebevolles Verhältnis habe. Und schließlich geht es in der Behandlung von internetabhängigen Menschen ja auch nicht darum, komplett abstinent von digitalen Medien zu leben.

Bert te Wildt©