Letzte Woche bekam ich über das Netzwerk des Projekts Ankommen folgende Nachricht: „Achtung: Gerüchten zufolge soll heute um 19:00 Uhr am „Kleinen Borsigplatz“ eine Nazikundgebung stattfinden.“ Es gehört offensichtlich zum Alltag von Menschen, die sich für Geflüchtete einsetzen, diese regelmäßig vor kleineren und größeren Aufläufen von Neonazis zu warnen. Das ist Alltag in diesem Land, Alltag in dieser Stadt. Wir mögen sagen, dass wir uns niemals daran gewöhnen wollen und werden, aber die wenigen Geflüchteten, die ich kenne, scheinen sich bereits darauf eingesellt zu haben. Zunächst habe ich das Bedürfnis verspürt, meine Heimatstadt Dortmund in diesem Zusammenhang nicht zu nennen. Das aber wäre verlogen. Wenn hier überhaupt einer ein Nestbeschmutzer ist, dann doch dieses Pack. – Vor Scham und Wut wäre ich im letzten Jahr am liebsten versunken, als vor unserer Haustür eine kleine Nazikundgebung abgehalten wurde. Es waren ungefähr doppelt so viele Polizisten und dreimal so viele Gegendemonstranten da, denen wir uns anschlossen. Aber es war schlimm, so nah dran zu sein.

Am Wochenende informierte ich mich über die Demonstration am Samstag. Mir wurde von einer demo-erfahrenen Frau aus dem Projekt geraten, mich mit einer Kappe und einer Sonnenbrille zu maskieren, damit man mich auf Bildern nicht erkennen kann. Die Frau ist überhaupt nicht ängstlich, sondern nur realistisch (umso mehr hoffe ich, Ihre Aussagen sinngemäß richtig wieder zu geben). Die Neonazis würden systematisch Photos von Gegendemonstranten machen, diese ins Netz und damit an den Pranger stellen. Auf diese Weise könne man für die Rechten quasi zum Freiwild werden. Außerdem sagte sie, dass man bisweilen auch schon jenseits von Demos in schwierige Situationen kommen könne, wenn man nur ein wenig links aussehen würde, was immer das heißt. Ich mag das alles kaum glauben. Wenn ich gegen Neonazis demonstrieren will, dann doch gerade weil ich öffentlich ein Zeichen setzen will. Sind wir schon wieder so weit, dass wir uns verstecken müssen vor den braunen Horden? Das kann doch alles nicht wahr sein.

Ursprünglich wollte ich hier einen Text schreiben, mit dem ich Menschen in meinem Umfeld dazu motivieren wollte, am kommenden Samstag mit auf die Gegendemonstration gegen den Aufmarsch der Rechtsradikalen zu gehen. Ich hatte Sorge, dass das vielleicht zu pastoral und plakativ sein könnte. Ich habe mich gefragt, wie so ein Text aussehen müsste, damit er mit Charme und Leichtigkeit Menschen dazu bringt, für diesen guten Zweck auf die Straße zu gehen, nicht nur zu reden, sondern auch zu handeln. (Aber) die Zeit der Lässigkeit und Bequemlichkeit ist einfach vorbei. Wir müssen endlich unsere Hintern hochkriegen und uns engagieren, auf der Straße und in der Politik. Wer sich für politikverdrossen hält, ist demokratiemüde und mitschuld an der Misere. Wir dürfen den Neonazis nicht das Feld überlassen, sondern müssen Haltung und eben auch Gesicht zeigen. Also, öffnet Eure Herzen und Häuser, vertraut Eure Wohnungen im Zweifelsfall Geflüchteten an, damit sie am Samstag in Sicherheit sind, und geht für Freiheit und Demokratie auf die Straße. Es wird Zeit.

© Bert te Wildt