Spionage ist auch nicht mehr das, was sie einmal war. Vielleicht habe ich da etwas falsch verstanden, aber bislang bin ich immer davon ausgegangen, dass sich Spione auch in ausgewachsenen Demokratien immer am Rande wenn nicht sogar außerhalb der Demokratie bewegen. In jedem Fall, so war meine Vorstellung, hat Spionage immer etwas mit Geheimnissen zu tun, die geschickt gewahrt oder gelüftet werden müssen. Heute meinen Geheimdienste allerdings, einfach die Hand aufhalten zu können, in die man ihnen doch bitteschön einen Universalcode für Smartphones drücken möge.

Was ist denn aus der augenscheinlich ebenso harten wie glamourösen Spionagearbeit geworden. Man muss ja nicht gleich über James Bond und seine Kolleginnen ins Schwärmen geraten. Aber irgendwie ist mir doch daran gelegen, dass die Spionage nicht ganz ihren Sexappeal verliert. Selbst der IT-Nerd, der in den letzten 007-Filmen artig im Hintergrund seine Arbeit verrichtet, erscheint noch als attraktiv, wenn er seine Brille abnimmt. Jedenfalls möchte ich weiterhin glauben, dass die Leute von den Geheimdiensten besonders schlau, gutaussehend und bestenfalls auch noch mit Charme und Witz ausgestattet sind.

Aber einfach einen digitalen Dietrich anzufordern, erscheint mir als unangemessen langweilig, um nicht zu sagen geradezu dreist faul. Jetzt da die digitale Revolution alles transparent macht und in Frage stellt, ist es ebenso naheliegend wie einfach, nach der Rolle des großen Bruders zu greifen. Wenn da aber die Bürger und Konzerne nicht mitspielen, reagiert man schwer beleidigt. Ebenso würden wir uns ja auch verbitten, dem BND einen Generalschlüssel für alle Privatwohnungen zu geben. Eine umfassende private Spionageabwehr tut schon not.

Aber wenn wir denn den Cyberspace ernsthaft als eine Parallelwelt verstehen und ernst nehmen – wozu ich stark tendiere – , dann müssten wir doch auch ähnliche Gesetze anwenden können, wie wir es in demokratischen Gesellschaften im Diesseits der irdischen Welt tun. Dann müsste es auch Durchsuchungsbefehle geben, die nicht nur für Häuser und Computer gelten, sondern auch für Smartphone-Accounts und ähnlichen privaten Territorien im Netz. Das ist aber doch eher eine Frage von richterlichen Anordnungen, wobei es mir durchaus als richtig erscheint, die IT-Industrie in diesen Einzelfällen in die Pflicht zu nehmen, so wie von einem Hausmeister oder Vermieter bei einem Durchsuchungsbefehl auch Hilfe erwartet wird, insbesondere wenn Gefahr in Verzug ist, beispielsweise bei Entführungen oder Terrorwarnungen. Dies ist aber nicht notwendigerweise eine Aufgabe der Geheimdienste, denen man schon gar nicht einen Universalschlüssel überlassen sollte.

Wer aber glaubt, dass Geheimdienste gar nicht mehr im Geheimen operieren sollten, ist aus meiner Sicht naiv. Ich glaube nicht, dass sich ein Land ohne Geheimnisse regieren lässt. Nicht, dass wir uns falsch verstehen, selbstverständlich brauchen auch die Geheimdienste Regeln und Aufsichtsgremien. Aber wer den Geheimdiensten das Geheime nimmt, spricht ihnen eigentlich ihre Existenzberechtigung ab. Es gibt nicht wenige, die das tun. Ich selbst zähle mich nicht dazu.

Aber vielleicht ist das auch alles nur eine unglaublich perfide Verschleierungstaktik. Beispielsweise kann ich einfach kaum glauben, dass ein Staatschef oder eine Staatschefin ernsthaft glaubt, nicht auch von befreundeten Nationen ausspioniert zu werden. Einen Geheimdienst zur Nicht-Geheimhaltung zu zwingen, klingt genauso paradox wie ein Spionageabkommen. Wenn so etwas ausgehandelt wird, sollen wir Bürger vielleicht auch einfach nur in dem Glauben sediert werden, es gäbe da irgendwelche Spielregeln. Und die Geheimdienste selbst lachen sich dabei ins Fäustchen, über ihre Regierungen vermutlich ebenso wie über ihre Bürger. Das klingt ziemlich nach machomäßigem Gebaren, wie wir es von jeher mit Spionen verbinden. Vielleicht brauchen wir auch hier einmal mehr weiblichen Input und Impact. Der nächste Bond sollte vielleicht nicht schwarz oder schwul sein, sondern eine Frau. Übernehmen Sie doch bitte, Mrs. Bond.

 

Bert te Wildt