Es mag ja sein, dass es für Teenager ganz wunderbar ist, ihr Problem mit Nähe und Distanz zu pflegen, dramatisieren und im besten Falle auch zu lösen, indem sie so viele Medien wie möglich zwischen sich und den Rest der Welt schalten. Soziale Netzwerke bieten sich dafür ganz wunderbar an, auf die Distanz eine Nähe zu suggerieren, nach der sich alle sehnen, die sich aber vielleicht immer weniger herstellen lässt. Das Problem könnte darin liegen, dass die Nähe-Distanz-Fehlregulation zu einem allgegenwärtigen Phänomen geworden ist, nicht nur unter Heranwachsenden sondern auch unter Erwachsenen. Dass die Erwachsenen immer infantiler werden und immer mehr aus der Erwachsenenwelt in die bis vor kurzem noch als so hoch und heilig beschützte Kinderwelt diffundiert, darf bereits als Allgemeinplatz betrachtet werden. Wenn Eltern aber unbedingt ihre Kinder zu Freunden bei Facebook machen und haben wollen, dann dürfte hier auch etwas krampfhaft nach der Jugend Schielendes im Busch sein. Welcher Teenager mit einem Rest von Selbstachtung will schon seine Eltern zum Freund haben und das auch noch öffentlich? Psychotherapeutisch besehen ist das in jedem Fall eine Katastrophe. 

Als Erwachsener wird es allerdings immer schwieriger, noch einen Kontakt zu den Kindern, Enkeln, Nichten und Neffen zu halten, wenn man ihren medialen Umwegen nicht folgt. Unmittelbarer Kontakt geht gar nicht mehr. Auch zu telefonieren – und sei es per Handy – ist bereits ein Anachronismus. Und als ich letztens meinem Neffen per Email meine zum Geburtstag gratulieren wollte, klärte mich mein Bruder darüber auf, dass sein Sohn kaum noch in sein Email-Postfach schauen würde. Wenn man ihn erreichen wollen würde, dann am besten über Facebook. Bei Facebook kann ich lesen, wie er mit seinen Kumpeln chattet. Ich will das gar nicht wissen. Das sind definitiv zu viele unerwünschte Informationen für mich. Ich hätte lieber einen schönen Abend, ein gutes Gespräch pro Jahr mit ihm, als dass ich jeden Tag seine Sendungen und Kommunikationen zu verfolgen.

Bleibt mir etwas anderes übrig, als meinen Patenkindern auf Facebook hinterher zu rennen? – Erstens ist das immer peinlich. Zweitens gehört es dazu, dass sich zwei Generationen zumindest für eine Übergangszeit weder auf gemeinsame Inhalte noch auf gemeinsame Kommunikationsformen verständigen können. Und drittens sollte man als Erwachsener sich nicht den Weg vorschreiben lassen, indem man kommunizieren möchte. Patenkinder machen sich rar, wenn sie erwachsen werden. Und Patenonkel gehen dann eben auch ihrer Wege. So oder so, bleibt die direkte Begegnung kostbar, und durch die Sozialen Netzwerke wird es immer mehr. Also gehe ich medial meiner Wege. Dabei werde ich nur den Gedanken nicht los, dass ich irgendwie beleidigt bin, weil ich damit alt aussehe. Aber das ging den Erwachsenen wohl auch schon vor dem Cyberspace so. Wenn ich das überwunden habe, kann ich vielleicht davon ausgehen, dass ich auch erwachsen geblieben bin. Bis dahin tröste ich mich damit, dass auch mein Bruder vielleicht bald alt aussehen wird, wenn sich seine Kinder noch auf eine tiefere Ebene des Cyberspace zurückgezogen haben werden, um uns Erwachsenen aus dem Weg zu gehen.

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