Virale Gamifizierung

„Der Gegensatz zu Spiel ist nicht Ernst, sondern — Wirklichkeit.“ so Sigmund Freud 1907, was nicht notwendigerweise bedeuten muss, dass die Realität der Feind des Spiels ist. Die virtuelle Realität ist ja auch eine Realität, die nicht selten ziemlich verspielt daherkommt. Wenn ich mich mal wieder über das Suchtpotential von Computerspielen aufrege oder der ein oder anderen hyperrealistischen Kriegssimulation abspreche, überhaupt ein Spiel zu sein, muss ich den Spielverderber spielen. Gehört nun einmal zu meinem Job. Virale Gamifizierung weiterlesen

Hass Reden

Ich habe mich schon dabei erwischt, wie ich mir einen Shitstorm herbeigewünscht habe. Ist mir noch nie passiert. Aber seit ich publizistisch unterwegs bin, denke ich manchmal an die Binsenweisheit, dass es nur eine Art von schlechter Presse gibt, nämlich gar keine. Das mag ja für die sozialen Netzwerke genauso gelten. Seit ich mich etwas näher mit dem Phänomen Hatespeech insbesondere im Hinblick auf Medienschaffende beschäftigt habe, denke ich jedoch anders darüber. Hass Reden weiterlesen

Geschichtsversessenheit

Geschichte ist nicht meine Stärke. Aber von Geschichten lasse ich mich im Alltag gerne begleiten, am liebsten indem ich mehrere Bücher parallel lese. Manche bleiben dabei auf der Strecke. Die beiden Bücher, die ich gerade zu Ende gelesen habe, teilen sich die Gemeinsamkeit, in Zeitsprüngen zu erzählen. Das ist nichts Neues. Kaum ein Roman dekliniert heute noch eine Geschichte chronologisch durch. Zum nachhaltigen Erbe der Postmoderne mag es dazugehören, kohärente Geschichten zu vermeiden, ebenso wie man sich darauf verständigt hat, dass es weder Identität noch Realität gibt. Irgendwie komme ich aber nicht ohne die beiden Begriffe aus, dies gerade weil ich mich mit den Wechselwirkungen von Medien und Psyche beschäftige. Mit der Narration geht es mir ähnlich. Ich gebe zu, ich mag die amerikanischen Erzählungen einfach lieber als die Dekonstruktionen, von denen mir die zeitgenössische deutschsprachige Literatur durchdrungen zu sein scheint. Geschichtsversessenheit weiterlesen

Serienopfer

Rita ist tot! – Wir konnten es nicht fassen, als am Ende der vierten Staffel von „Dexter“ die Frau des Protagonisten einem Serientäter zum Opfer fiel. Wie gelähmt blieben wir eine ganze Zeit lang vor dem Bildschirm sitzen. Wir fragten einander, ob Dexter ihren Tod nicht vielleicht doch nur geträumt hatte. Wir schauten sogar bei Wikipedia nach, ob sie denn nun wirklich gestorben ist. Noch einen Tag später waren wir von einer Art Trauer ergriffen, die wir ebenso unangenehm wie bizarr fanden. Kaum zu glauben, wie stark man mit Serienhelden mitfühlen kann. Dexter ist ein Serienmörder, der selbst für die Polizei arbeitet. Ich liebe Serien, bei denen ethische Konflikte von der unmoralischen Seite her aufgegriffen und durchgespielt werden. Wie man auch nach „Weeds“ und „House of Cards“ geradezu süchtig wird, kann ich nur allzu gut nachvollziehen. Serienopfer weiterlesen

Kapitulation vor den freunden

Hiermit gestehe ich meine Kapitulation ein. „Du bist ja nicht bei facebook!“ Dass ich diesem Verein nun doch beitrete, hat nichts damit zu tun, dass ich diesen Vorwurf nicht mehr hören kann. Nein, liebe echte Freunde, ich möchte Euren digitalen Lebenszeichen nicht mehr Aufmerksamkeit widmen und Euch weiterhin lieber sprechen und sehen, am liebsten live und in Farbe. Kapitulation vor den freunden weiterlesen

der Implosion entgehen: Bombenstimmung auf Bevölkerungsfesten

Vor kurzem im Fußballstadium. Zwei Horden von Männern aus allen möglichen Staaten dieser Welt repräsentieren zwei Städteim sportlichen Wettkampf gegeneinander. Die Bewohner dieser Städte stehen hinter ihnen und jubeln. Im Publikum bemerke ich immer mehr Frauen und Menschen mit Migrationshintergrund (Dieser Begriff, über dessen politische Korrektheit ich mir unsicher bin, wird von Word interessanterweise für orthographisch inkorrekt erklärt). Auf den Stehplätzen wogt eine explosive amorphe Masse, die einen ebenso faszinieren wie ängstigen kann. Von diesem Fanblock halten sich die Afrikaner, die in den Sitzrängen Bier aus Spritzpistolen verkaufen, vermutlich fern. Und doch möchte ich an diesem Ort – bei aller Gefahr, dass hier mal eben ein Block geschlossen nach rechts kippen könnte – eine Stimmung ausmachen, die nicht zuletzt auch etwas mit Völkerverständigung zu tun hat. Um andere Arten von Explosionen zu vermeiden, nehmen alle gerne die strengeren Sicherheitskontrollen in Kauf. In die Bierseeligkeit des Fußballplatzes kann ich durchaus einstimmen. Darin in erster Linie eine primitive Dekadenz zu sehen, kann ich vielleicht nachempfinden, ist aber grundfalsch. der Implosion entgehen: Bombenstimmung auf Bevölkerungsfesten weiterlesen

eye-catching: Schau mir in die Augen, Großer

Wenn ich einen Vortrag halte, nutze ich wie die meisten oft ein Präsentationsprogramm. Die Zuhörer werden dabei immer mehr zu Zuschauern, wenn ich mit meiner Aufmerksamkeit zwischen Projektion und Publikum hin und her pendle. Wenn jemand dabei auf sein Smartphone schaut, muss ich mich nicht wundern, geschweige denn ärgern. Vielleicht sucht sie oder er ja dann gerade nach Zusatzinformationen, die ich nicht mitgeliefert habe. Die schönsten Erfahrungen mache ich als Referent aber in ungeteilter Aufmerksamkeit, wenn ich mich traue frei und ohne Präsentation oder Manuskript zu sprechen. Schaue ich Zuhörern direkt in die Augen, wenn ich versuche, ihnen etwas zu vermitteln, entsteht so etwas wie Nähe. Das scheint eine seltene Erfahrung geworden zu sein. eye-catching: Schau mir in die Augen, Großer weiterlesen