Der beleidigte Mann

Recep hat angefangen. Ungefähr so ergab es sich: Mit hunderten von Klagen hat er schon in der Türkei auf vermeintliche Beleidigungen seiner Person reagiert. Ein ARD-Satiriker von extra 3 hat daraufhin ein Spottlied gedichtet, woraufhin sich das türkische Staatsoberhaupt wiederum beleidigt zeigte und sich beim deutschen Botschafter in Ankara und der Bundesregierung beschwerte. Unser Staatsoberhaupt wies dies öffentlich und entschieden zurück. Einem ZDF-Satiriker war das offensichtlich nicht genug und er dichtete ein Schmähgedicht über besagtes Staatsoberhaupt, das überaus beleidigend ist und die Weiten und Grenzen von Satire aufzeigen soll. Es spricht einiges dafür, dass dieser Satiriker selbst ziemlich beleidigt war, weil er den Satire-Coup nicht selbst gelandet hatte. So legte er tüchtig nach. Umso beleidigter reagierte wiederum der oberste Türke und einige andere Türken mit ihm, nicht zuletzt, weil die Verse mit ziemlich derben Vorurteilen gegenüber Türken spielen, die man unter anderem auch als rassistisch einstufen könnte. Der beleidigte Mann weiterlesen

First-Person-Drone-Shooter

Seit die sogenannten First-Person-Shooter immer mehr online gespielt werden, scheinen immer mehr Patienten davon abhängig zu werden. Und sie kommen tatsächlich in Behandlung. In einer kürzlich veröffentlichten Studie erfüllten etwa ein Drittel der von uns untersuchten von Shooter-Spielen, die sich ursprünglich für psychisch gesund hielten, die Kriterien für eine Internetabhängigkeit. Ehrlich gesagt, macht es mir zunehmend Sorgen, dass die sowohl im quantitativen als auch qualitativen Sinne exzessive Ausübung virtueller Gewalt zur Sucht werden kann. First-Person-Drone-Shooter weiterlesen

Übernehmen Sie, Mrs. Bond

Spionage ist auch nicht mehr das, was sie einmal war. Vielleicht habe ich da etwas falsch verstanden, aber bislang bin ich immer davon ausgegangen, dass sich Spione auch in ausgewachsenen Demokratien immer am Rande wenn nicht sogar außerhalb der Demokratie bewegen. In jedem Fall, so war meine Vorstellung, hat Spionage immer etwas mit Geheimnissen zu tun, die geschickt gewahrt oder gelüftet werden müssen. Heute meinen Geheimdienste allerdings, einfach die Hand aufhalten zu können, in die man ihnen doch bitteschön einen Universalcode für Smartphones drücken möge. Übernehmen Sie, Mrs. Bond weiterlesen

Horror Ostern

Früher habe ich mich oft über das österliche Fernsehprogramm gewundert. Viele Jahre lang schienen Horrorfilme das passende Programm für die Feiertage zu sein. Drei Monate nach Weihnachten erneut ein Familienfest ertragen zu müssen, kann einen schon aggressiv machen. Sich an Ostern über gewaltsame Todesarten Gedanken zu machen, ist inhaltlich nicht vollkommen unangemessen. In Vampir- und Zombiefilmen wird ja auch auf vielfältige Weise gestorben, um sich dann umso intensiver mit den Folgen von Wiederauferstehung und ewigem Leben auseinanderzusetzen. Und schließlich ist der Antichrist, der in allen seinen teuflischen Varianten gerne durch Film und Fernsehen geistert, besessen von seinem positiven Gegenpart. Zuletzt waren es allerdings eher Filmserien, wie Scream und Final Destination, die über Ostern gezeigt wurden. Meiner Erinnerung nach gipfelte das ganze damit, dass im Fernsehen sogar die Reihe Saw gezeigt wurde, in der es letztlich darum ging, Menschen dazu zu zwingen, sich variantenreich gegenseitig zu foltern und zu töten. Auf geradezu pornographische Art und Weise wird darin extreme Gewalt gezeigt, die die Grenzen des Erträglichen überschreitet, vom guten Geschmack einmal ganz abgesehen. Horror Ostern weiterlesen

Noch Selbstmitleid oder schon Selbstmitgefühl?

„Möge ich freundlich zu mir sein“ ist ein Artikel im Deutschen Ärzteblatt übertitelt. Ich dachte, ich les nicht richtig. Es geht um die nächstmögliche Stufe verschärfter Achtsamkeit, nämlich die ärztliche Achtsamkeit gegenüber dem eigenen Leiden angesichts des Leidens unserer Patientinnen und Patienten. Es ist da ernsthaft von „achtsamem Selbstmitgefühl“ die Rede. Nein, nicht Selbstmitleid oder Empathie mit sich selbst sei gemeint, sondern eine „tiefe Erkenntnis des eigenen Leids“ im Zusammenhang mit Arbeitsbelastungen. Das tut weh. Noch Selbstmitleid oder schon Selbstmitgefühl? weiterlesen

Selbstfahrende Seniorenheime

Kürzlich in einem Parkhaus sah ich, wie ein sehr schicker Porsche SUV zweimal leicht einen BMW SUV bei dem Versuch rammte, in eine zu kleine Lücke einzuparken. Weiter oben waren noch viele Plätze frei. Man braucht nur ein wenig Geduld, dachte ich. Meinem Rechtsempfinden entsprechend schaute ich nach, ob der BMW beschädigt war. Der Fahrer des Porsches, ein älterer Herr von bestimmt 80 Jahren, saß noch im Wagen, ließ nur unwillig die Scheibe herunter und fragte was denn los sei. Ich sagte, dass er den Schaden melden müsse. Das könne nicht sein, sagte er, bevor das Auto irgendwo hineinfahren könnte, würde es automatisch halten. Selbstfahrende Seniorenheime weiterlesen

Kameras auf zwei Beinen

Dass wir im Science Fiction angekommen sind, ist ja fast schon ein alter Hut. Wie das im Alltag aussieht, ist bisweilen unfreiwillig komisch, zum Beispiel Skifahrer, die auf ihren Helmen Kameras montiert haben und dabei wie Marsmenschen aussehen. Ausnahmslos Männer scheinen sich so zum Affen zu machen, wenn gleich sie dabei offensichtlich glauben, bei der Evolution ganz vorne dabei zu sein. Ich habe Leute gesehen, die sich ernsthaft beim Skilaufen mit einem Selfie-Stick selbst filmten. Kein Wunder, dass heute weltweit mehr Menschen beim Erstellen von Selfies sterben als durch Hai-Angriffe. Ja, ich schäme mich dafür, dass mich das eher mit Schadenfreude als mit Mitleid erfüllt. Vielmehr noch beschäftigt mich aber die Frage, wer sich das denn alles anschauen soll? Ich gehöre noch zu der Generation, die von mehr oder weniger weit Gereisten mit Dia-Abenden gequält wurde. Aber die paar Schnappschüsse waren harmlos gegen das, was heute der Durchschnittsbürger an Bild- und Filmmaterialmüll produziert. Kameras auf zwei Beinen weiterlesen

Hunger Säen

Mexikanische Bauern, die sich weigerten, gentechnisch verändertes Saatgut zu verwenden, werden immer häufiger von der Agrarindustrie verklagt, weil die von ihnen produzierten Sorten doch ihre Äcker durchsetzen. Vielleicht ist es der Wind. Es wird aber auch davon ausgegangen, dass die Industrie die Samen absichtlich über die Felder streuen, um die Bauern mit Klagen zum Einlenken und in die Abhängigkeit zu zwingen. So oder so, sie sollen für die ungewollte Verwendung des genmanipulierten Saatgutes zahlen.

Indien wehrt sich gerade erfolgreich dagegen, dass der Großteil des indischen Netzes zum Hoheitsgebiet von Facebook wird. Mit dem Gestus der Entwicklungshilfe versucht Zuckerberg das Netz in entlegene und wenig entwickelte Gebiete zu bringen. Dafür sollen alle ausschließlich und nur noch über das Soziale Netzwerk ins Netz gehen. Ähnlich wie Google versucht Facebook mit solchen Manövern zu dem Netz schlechthin zu werden. Die beiden Konzerne befinden sich im Wettlauf um die bisher noch nicht vernetzte zweite Hälfte der Menschheit in der sogenannten zweiten und dritten Welt. Dabei arbeitet Google mit unbemannten Fesselballons und Facebook mit Drohnen, die von Solarenergie betrieben werden, ununterbrochen in der Luft bleiben und ein allumfassendes Netz aufspannen sollen. Längst haben sie Afrika im Visier. Wenn damit ganze Länder in eine ökonomische Abhängigkeit gezwungen werden, dann ist das nicht weniger als eine neue Form des Kolonialismus. Hunger Säen weiterlesen