Unter einem Schwarm verstehen wir eine unübersehbar große Gruppe an Tieren, die sich wie von einer unsichtbaren Macht in der Masse intelligenter verhalten, als es ihr Einzeldasein erwarten ließe. Dabei geht es in der Regel um Geschöpfe, die im Wasser oder in der Luft leben und denen es dementsprechend an Bodenhaftung fehlt. Sonst wären sie Rudel. Kein Mensch spricht von Hordenintelligenz. Horden von Menschen empfinden wir eher als bedrohlich. Im schlimmsten Fall werden sie zu Mobs, womit wir schon beim Thema sind. Es wäre so einfach, wenn das Internet entweder nur digitale Mobbildung oder Schwarmintelligenz hervorbringen würde. Aber man kann ja nicht einmal davon ausgehen, dass sich nur dumme Menschen zu einem Mob zusammenrotten. Wir sind ja nicht einmal vor Vögeln und Fischen – siehe Hitchcock und Schätzing – sicher. schwarmdumm: Digitale Mobs weiterlesen
Kategorie: Archiv
auch das noch: Medienachtsamkeit
Nach einem langen, anstrengenden Arbeitstag versuchte ich mich ganz bewusst auf einen entspannten Abend einzurichten. Allein zuhause wollte ich mal alle großen und kleinen Computer links liegen lassen. Ein TV-Dinnner sollte ich mir auch nicht durchgehen lassen, mir sogar das Zeitunglesen beim Abendessen versagen. Ohne Musik geht bei mir allerdings gar nichts. Damit gelingt mir zumindest die Zubereitung von Speisen, ohne dabei zu telefonieren. Viel weiter reichen meine Versuche, den Alltag achtsam und auch mal ganz ohne Medien zu gestalten in der Regel nicht. Aber immerhin langt es, um tief durchzuatmen und beim Kochen so etwas wie Achtsamkeit walten zu lassen. In solchen Momenten kann ich den Alltag mit Muße zelebrieren, was sich bisweilen etwas bedeutungsschwanger anfühlt. auch das noch: Medienachtsamkeit weiterlesen
moderne Nabelschnüre: Von Schnabelbechern und Smartphones
Während eines mittlerweile zwanzig Jahre zurückliegenden medizinischen Praktikums in einer amerikanischen Klinik fiel mir diese Unart zum ersten Mal auf. Während der Visite hielten alle Ärztinnen und Ärzte weiße Pappbecher mit einem Plastikdeckel in der Hand, aus dessen Fortsatz sie unentwegt Kaffee in sich hineinschütteten. Schnabeltassen waren mir erstmals während eines Pflegepraktikums fünf Jahre zuvor begegnet. Heute muss ich wieder daran denken, wenn ich versuche Studenten oder Patienten klar zu machen, dass ich es unangemessen finde, während der Seminare und Therapiesitzungen zu trinken oder zu essen. Ich versuche dann mit Humor auf die wissenschaftliche Erkenntnis hinzuweisen, dass man tatsächlich ein, zwei Stunden ohne Flüssigkeits- und Nahrungszufuhr überleben kann. Dass man abends auch ohne eine Flasche Bier in der Hand U-Bahn fahren kann, behalte ich vorsichtshalber für mich.
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old school: Der digitalen Bildungsoffensive zum Trotz
Der erbärmliche Zustand der Schulen in unserem Land fiel mir bereits als Kind unangenehm auf. Nicht nur mein Gymnasium sah ziemlich runtergekommen aus. Anstatt zu renovieren wurde ein Pavillon nach dem anderen angebaut. Auf dem Schulweg nachhause, vorbei an den öffentlichen Gebäuden und Geschäftshäusern der Stadt, dachte ich mir schon: Das sind wir Kinder unserer Gesellschaft also wert. Seit ich in meine Heimatstadt zurückgekehrt bin, muss ich feststellen, dass sich daran auch 25 Jahre später nichts geändert hat, ebenso wenig wie an dem beklagenswerten Zustand des Schulsystems selbst.
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Soziale Netzwerk Familie
Es mag ja sein, dass es für Teenager ganz wunderbar ist, ihr Problem mit Nähe und Distanz zu pflegen, dramatisieren und im besten Falle auch zu lösen, indem sie so viele Medien wie möglich zwischen sich und den Rest der Welt schalten. Soziale Netzwerke bieten sich dafür ganz wunderbar an, auf die Distanz eine Nähe zu suggerieren, nach der sich alle sehnen, die sich aber vielleicht immer weniger herstellen lässt. Das Problem könnte darin liegen, dass die Nähe-Distanz-Fehlregulation zu einem allgegenwärtigen Phänomen geworden ist, nicht nur unter Heranwachsenden sondern auch unter Erwachsenen. Dass die Erwachsenen immer infantiler werden und immer mehr aus der Erwachsenenwelt in die bis vor kurzem noch als so hoch und heilig beschützte Kinderwelt diffundiert, darf bereits als Allgemeinplatz betrachtet werden. Wenn Eltern aber unbedingt ihre Kinder zu Freunden bei Facebook machen und haben wollen, dann dürfte hier auch etwas krampfhaft nach der Jugend Schielendes im Busch sein. Welcher Teenager mit einem Rest von Selbstachtung will schon seine Eltern zum Freund haben und das auch noch öffentlich? Psychotherapeutisch besehen ist das in jedem Fall eine Katastrophe. Soziale Netzwerk Familie weiterlesen
Bildungs Fernsehen
Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie mir eine befreundete Künstlerin zu meiner Überraschung erklärte, dass sie mit großer Begeisterung die Autobiographie von Dieter Bohlen lese. Sie tat dies nicht etwa defensiv und mit lustvoller Beschämung, nein sie gab mir das Gefühl, völlig daneben zu liegen, Dieter Bohlen und seine Casting-Show, die damals in der ersten Staffel lief, unerträglich und inakzeptabel zu finden. Sie ist wohl die erste in meinem Freundeskreis gewesen, die in diese Richtung quasi umgekippt ist. Was mir damals wie ein künstlerischer Coup vorkam, scheint mittlerweile Methode zu haben. Viele Staffeln später, in denen nicht nur um die Wette gesungen, sondern auch getanzt, gekocht und gemodelt wird, scheinen die öffentlichen Castings längst in allen gesellschaftlichen Gruppen salonfähig geworden zu sein. Bildungs Fernsehen weiterlesen
Die Diktatur der zum freien Willen erklärten Bedürfnisse
Zurzeit beherrschen drei Ereignisse die Diskussion um die moralischen Grenzen dessen, was der medialen Öffentlichkeit zugemutet bzw. erlaubt werden kann: die spektakuläre Darstellung von Leichenpräparaten, die Zurschaustellung demütigender Mutproben im Fernsehen und der durch das Internet vermittelte Fall von Kannibalismus in beiderlei Einvernehmen. Die drei Phänomene bergen Gemeinsamkeiten, die Fragen nach der Bewertung des freien Willens von Einzelnen und nach der Notwendigkeit der Selbstzensur von Kollektiven aufwerfen. Gunter von Hagen stellt haltbar gemachte Leichen aus, so genannte Plastinate, deren anatomische Strukturen auf künstlich-spielerische Weise freigelegt sind. Die Präparierung erfolgt nicht in erster Linie gemäß üblicher anatomischer Verfahren, sondern vielmehr im Hinblick auf eine anthropomorphe Ästhetisierung. Die Diktatur der zum freien Willen erklärten Bedürfnisse weiterlesen