Passend zur Gamescom steigt die Zahl der abhängigen Gamer in unserer Ambulanz mal wieder an. Es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht ein neuer Patient wegen einer Computerspielsucht oder dessen verzweifelte Angehörige bei uns vorstellig werden. Da kann man schon mal wütend werden auf das Gaming und die Industrie, die damit ein Milliardengeschäft macht. – Nur dass keine Missverständnisse aufkommen, ich habe grundsätzlich nichts gegen Computerspiele. Bin selbst schon mit ihnen groß geworden: Pong, Atari, C64, you name it. Um auf dem Stand zu bleiben, spiele ich auch heute noch, mal gezielt und mal nur so zum Spaß. Mein Verständnis für den Reiz der Spiele kommt mit Pokémon GO allerdings gerade an seine Grenzen, wenn ich vor die Tür gehe und erwachsene Menschen dabei beobachte, wie sie im Straßenverkehr und in Parks virtuelle Monster fangen. Das ist doch eine infantile Mischung aus Fangen Spielen und Panini-Bildchen Sammeln. Längst haben sich im Zusammenhang mit solchen Smartphone-Spielchen Unfälle mit lebensgefährlichen und sogar tödlichen Folgen ereignet. Spielverderben weiterlesen
Tinder Dir (K)eine(n)
Melde mich aus dem abgeblasenen Sommerloch mit einem unpolitischen Thema zurück. Sexualität geht immer. Immerhin beziehe ich mich auf eine US-amerikanische Studie, die darauf hindeutet, dass junge Erwachsene immer weniger Sex haben. (Das dürfte noch nichts damit zu tun haben, dass mit den Obamas so oder so nun erst einmal jeglicher jugendliche Sexappeal aus dem Weißen Haus ausziehen wird.) Es wurde die Frage augefworfen, ob nicht das Rendez-Vous im Zeitalter seiner technologischen Reproduzierbarkeit gerade durch den Einsatz von Dating-Apps in seiner letzten sexuellen Konsequenz eher behindert als gefördert wird. Der Begriff Disruption gewinnt in diesem Geschäftsfeld eine ziemlich ambivalente Dimension. Beim Thema Sex scheinen die Algorhythmen jedenfalls noch nicht flächendeckend zu erotischen Eruptionen zu führen. Dass die Menschen durch die digitale Kuppelei zwar weniger, aber dafür aber besseren Sex haben, erscheint mir als eher unwahrscheinlich. Tinder Dir (K)eine(n) weiterlesen
Gute Wut
Ich glaube es war unser SoWi-Lehrer, der uns beibrachte, dass Große Koalitionen regelhaft eine Gefahr für Demokratien darstellen, weil sie auf längere Sicht radikalen Kräften Vorschub leisten, im Zweifelsfall Faschisten. Für mich war das so etwas wie ein Naturgesetz, weshalb mich die Machtübernahme der GroKo von SPD und CDU/CSU vor einem gefühlten Jahrzehnt beunruhigte. Eine Weile konnte ich das verdrängen, aber mehr denn je muss ich nun wieder an dieses ungeschriebene Gesetz denken. Das fängt schon bei ganz einfachen Themen an, wie zum Beispiel bei der Suche nach einem Nachfolger für Herrn Gauck. Gute Wut weiterlesen
Wir gehören zu Eurem Team
Schon vor der Nachricht über den Anschlag von Orlando schwand meine Vorfreude auf das erste Spiel der deutschen Nationalmannschaft. Habe keine Lust auf die zweite Halbzeit und das Bedürfnis zu schreiben. Nachdem ständig von drohendem IS-Terror die Rede war, gehen nun die Bilder von Schlachten zwischen den Hooligans um die Welt, darunter gewaltbereite Neonazis aus Deutschland. – Islamisten und Rechtsradikale haben einiges miteinander gemein, nicht zuletzt den Hass auf Lesben und Schwule. Über das fürchterliche Attentat auf den Nachtclub in den USA, bei dem mindestens 50 homosexuelle und transsexuelle Menschen getötet wurden, werden sich weltweit viele Millionen Menschen freuen. Das gilt nicht nur in Ländern, wo Menschen wegen ihrer gleichgeschlechtlichen sexuellen Orientierung immer noch gefoltert und hingerichtet werden, sondern auch hier in Deutschland.
F-Worte wie Facebook oder Faschismus
Von der Tageszeitung, die ich lese, verspreche ich mir vor allem, dass Sie mich über die wichtigsten Ereignisse in der Welt informiert und dass sie dabei weitgehend unabhängig von politischer Gesinnung eine sinnvolle Auswahl trifft. Wenngleich ihr das meinem Eindruck nach zumeist gelingt und ich mich in den Kommentaren in meiner eigenen politischen Haltung mal wiederfinde und mal herausgefordert fühle, ärgere ich mich bisweilen über sie, zum Beispiel über unnötig reißerische Überschriften oder schlechte Rezensionen. Manchmal denke ich, dass ich mich mehr an ihr reiben müsste, dass ich zu konform mit ihr gehe. Wenn ich unterwegs bin, lese ich ganz bewusst andere Zeitungen, gerne auch aus anderen Ländern. In der Tageszeitung meiner Wahl erscheint wöchentlich eine Beilage einer amerikanischen Tageszeitung. Darin las ich heute zwei Artikel, die erst auf den zweiten Blick etwas miteinander zu tun haben. Es ging um Facebook und Faschismus. F-Worte wie Facebook oder Faschismus weiterlesen
Auf die Straße mit Euch
Letzte Woche bekam ich über das Netzwerk des Projekts Ankommen folgende Nachricht: „Achtung: Gerüchten zufolge soll heute um 19:00 Uhr am „Kleinen Borsigplatz“ eine Nazikundgebung stattfinden.“ Es gehört offensichtlich zum Alltag von Menschen, die sich für Geflüchtete einsetzen, diese regelmäßig vor kleineren und größeren Aufläufen von Neonazis zu warnen. Das ist Alltag in diesem Land, Alltag in dieser Stadt. Wir mögen sagen, dass wir uns niemals daran gewöhnen wollen und werden, aber die wenigen Geflüchteten, die ich kenne, scheinen sich bereits darauf eingesellt zu haben. Zunächst habe ich das Bedürfnis verspürt, meine Heimatstadt Dortmund in diesem Zusammenhang nicht zu nennen. Das aber wäre verlogen. Wenn hier überhaupt einer ein Nestbeschmutzer ist, dann doch dieses Pack. – Vor Scham und Wut wäre ich im letzten Jahr am liebsten versunken, als vor unserer Haustür eine kleine Nazikundgebung abgehalten wurde. Es waren ungefähr doppelt so viele Polizisten und dreimal so viele Gegendemonstranten da, denen wir uns anschlossen. Aber es war schlimm, so nah dran zu sein. Auf die Straße mit Euch weiterlesen
Wet, but NO
Im Fitnessstudio geht es ja nicht zuletzt um die Steigerung der eigenen körperlichen Attraktivität, die man im Zweifelsfall direkt vor Ort auf die Probe stellen kann. Für die Motivation kann es hilfreich sein, sich auf dem Stepper für den Bildschirm mit den Musikvideos von schönen Menschen zu entscheiden. Jennifer Lopez ist genauso alt wie ich, sieht aber in ihrem neuen Video wesentlich jünger und besser aus. In dem Lied „Bin nicht Deine Mutter“ beschwert sie sich offensichtlich bei einem Partner beziehungsweise dem Mann und für sich, dass dieser von ihr erwartet, für sie zu kochen und zu waschen. Visuell dekliniert sie dabei alle möglichen Frauenklischees durch, wobei sie unter anderem auch als Hausfrau, Amazone, Fabrikarbeitern und Karrierefrau noch ziemlich sexy daherkommt. Irgendwie soll es dabei wohl um Emanzipation gehen. Die Botschaft könnte ungefähr lauten: Frau darf alles Mögliche sein, nur nicht unsexy. Oder: Lasst mich in Ruhe mit langweiligen Machos, die mich in irgendwelche Rollenklischees zwängen, nur weil ich sexy bin. Wet, but NO weiterlesen
Glück im Spiel
Das mit den bevormundenden Schockbildern auf den Zigarettenschachteln geht mir entschieden zu weit, aber ein konsequentes Werbeverbot in der Öffentlichkeit ist längst überfällig. Dringender nur noch gehört die Werbung für Bordelle verboten. Dass dem noch nicht so ist, kann eigentlich nur das Werk von Lobbyisten sein, deren Lobbyarbeit ich mir ziemlich spannend vorstelle. Wenn es um Internetsucht geht, ist allerdings momentan besonders die Werbung von Glücksspielanbietern interessant. Auf einer großen Veranstaltung zum Thema Glücksspielsucht waren Online-Sportwetten das große Thema. Dort war zu erfahren, dass gerade Profisportler nach ihrem Karriereknick oder -ende häufig genau davon abhängig werden. Passend dazu machen Sportskanonen wie Boris Becker und Oliver Kahn Werbung für Anbieter von Sportwetten, die mittlerweile hauptsächlich online abgewickelt werden. Das ist ziemlich absurd, wenn man bedenkt, dass Online-Glücksspiele in Deutschland eigentlich verboten sind. Glück im Spiel weiterlesen
Digitale Bauklötze
Früher war alles schlechter. Wenn ich mit Barbies spielen wollte, musste ich das heimlich bei einer Freundin tun. Pistole und Schießgewehr waren für uns Jungs zuhause allerdings auch nicht gern gesehen. Die Frage nach dem Sinn oder Unsinn geschlechtsneutraler Erziehung von Mädchen und Jungen war noch nicht so virulent. Damals durften die Jungs samstags noch zuhause vor der Tür mit dem Papa Autowaschen. Der Höhepunkt des Wochenendes ist heute eher das gemeinsame Computerspielen von Vater und Sohn. Allerdings gibt es da ein Problem. Die entscheidenden Spiele, die Vati mit dem Sohnemann am liebsten spielen würde, sind erst ab 16 oder 18 Jahren freigegeben, was viele nicht daran hindert es doch zu tun. Der Spielwarenhersteller Mattel schafft hier mit seiner Serie Mega Bloks eine gewisse Abhilfe. Digitale Bauklötze weiterlesen
Gegenteil von Charity
Diese Woche in der BUNTEn (Heft 18): «ATHEN. Gutes tun & Spaß haben. „Mann über Bord“-Manöver, Navigation, Besteckversetzung? Zwölf Prominente büffeln für den guten Zweck. Sieben Tage, acht Stunden täglich. Mit dabei auch die Schauspieler Kai Scheve, Simone Hanselmann und Hannes Jaenicke. Er schwärmt: „Ein unglaublich schönes, intensives Zusammensein ist das hier. Keiner redet vom Job!“ alle wollen im warmen Athen die Sportbootführerschein-See-Prüfung bestehen, damit sie im Oktober am Rose of Charity DS Sailing Cup teilnehmen können. Das „Funrace“, initiiert von DS Automobiles, wurde 2015 mit großer Aufmerksamkeit zugunsten der DKMS (Dt. Knochenmarkspenderdatei) ausgetragen. Fazit: Alle bestehen! „Jamas! Prost!“ Ab da hatte so mancher etwas Seegang, bevor’s wieder ins fünf Grad kalte Deutschland ging.»